
Ein unerwarteter LKW-Stillstand ist kein Schicksal mehr, sondern ein vermeidbares Datenproblem.
- Der digitale Zwilling übersetzt subtile Vibrationsmuster und Betriebsdaten in präzise Ausfallprognosen für kritische Teile wie Motor und Lager.
- Er ermöglicht die Planung von Reparaturen exakt in den gesetzlichen Ruhezeiten der Fahrer, wodurch die Fahrzeugverfügbarkeit maximiert wird.
Empfehlung: Betrachten Sie die Daten Ihrer Flotte nicht mehr nur als Vergangenheitsbericht, sondern als Echtzeit-Indikator für die Zukunft, um von einer reaktiven zu einer vorausschauenden Wartungsstrategie zu wechseln.
Stellen Sie sich vor: Einer Ihrer LKW steht mit Motorschaden auf der A7 bei Kassel. Die Ladung kommt zu spät, Vertragsstrafen drohen, der Fahrer ist blockiert und die Kosten für Abschleppdienst und Notfallreparatur explodieren. Als Flottenmanager kennen Sie dieses Szenario nur zu gut. Die üblichen Gegenmaßnahmen – starre Wartungsintervalle und einfache Telematik, die meldet, wo der LKW *war* – sind oft nur ein schwacher Trost. Sie reagieren auf Probleme, anstatt sie zu verhindern.
Doch was wäre, wenn der LKW selbst Ihnen Wochen vorher geflüstert hätte, dass sich ein Problem anbahnt? Wenn die Maschine ihre eigene, subtile Sprache aus Vibrationen, Temperaturen und Druckwerten spricht? Genau hier setzt der digitale Zwilling an. Doch vergessen Sie die Hochglanzbroschüren, die von fotorealistischen 3D-Modellen schwärmen. Der wahre Wert liegt nicht im Visuellen, sondern im Unsichtbaren: in den Datenmustern. Der digitale Zwilling ist weniger ein Abbild als vielmehr ein dynamisches Datenprofil, das permanent mit der Realität abgeglichen wird.
Die eigentliche Revolution liegt darin, diese Datenmuster zu interpretieren, um Anomalien zu erkennen, lange bevor sie zu einem mechanischen Defekt eskalieren. Es geht nicht darum zu *sehen*, was kaputt ist, sondern darum zu *wissen*, was als Nächstes kaputtgehen wird. Dieser Artikel dringt zum Kern der Technologie vor. Wir entschlüsseln, wie Algorithmen die Sprache der Maschinen lernen, wie Sie Reparaturen präzise in die Pausen Ihrer Fahrer legen, welche konkreten Kosten Sie vermeiden und welche rechtlichen Rahmenbedingungen Sie bei vernetzten Fahrzeugen beachten müssen.
Der folgende Leitfaden bietet Ihnen einen tiefen Einblick in die Funktionsweise und die strategischen Vorteile der vorausschauenden Wartung. Entdecken Sie, wie Sie die Kontrolle über Ihre Flotte zurückgewinnen, indem Sie aufhören, auf Pannen zu reagieren, und anfangen, sie proaktiv zu managen.
Inhaltsverzeichnis: Wie Predictive Maintenance Ihre Flotte transformiert
- Was ist ein digitaler Zwilling im Fuhrpark eigentlich genau (ohne Marketing-Sprech)?
- Wie erkennt der Algorithmus einen Lagerschaden am Rad, bevor der Fahrer es hört?
- Just-in-Time Reparatur: Wie legen Sie Wartungstermine in die Ruhezeiten der Fahrer?
- Wie viel Euro spart die Vermeidung eines einzigen ungeplanten Stillstands auf der Autobahn?
- Können Sie „Predictive Maintenance“ auch bei älteren Fahrzeugen nachrüsten?
- Computer vs. Realität: Warum die digitale Simulation den echten Windkanal nie ganz ersetzt?
- Wenn das Update scheitert: Wer zahlt, wenn das Auto nach dem Download nicht mehr startet?
- Wem gehören eigentlich die Bewegungsdaten, die Ihr „Connected Car“ rund um die Uhr sendet?
Was ist ein digitaler Zwilling im Fuhrpark eigentlich genau (ohne Marketing-Sprech)?
Ein digitaler Zwilling ist im Kern kein 3D-Modell, sondern ein lebendiges, atmendes Datenmodell Ihres Fahrzeugs. Während die traditionelle Telematik Ihnen sagt, wo Ihr LKW gestern war, sagt Ihnen der digitale Zwilling, in welchem Zustand Ihr Motor nächste Woche sein wird. Er fusioniert physische Daten aus IoT-Sensoren (Vibration, Temperatur, Druck) mit Betriebsdaten (Ladung, Strecke, Fahrverhalten) und historischen Wartungsdaten. Das Ergebnis ist nicht einfach eine Kopie, sondern eine Simulation zukünftiger Zustände. Anstatt nur Daten zu sammeln, nutzt er sie, um Fragen zu beantworten: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses spezifische Bauteil innerhalb der nächsten 2.000 Kilometer ausfällt?“
Dieser Ansatz geht weit über das hinaus, was bisher möglich war. Er schafft eine Brücke zwischen der physischen Welt des LKW und der Cyber-Welt der Datenanalyse. Laut einer Forschungsarbeit der Universität Stuttgart besteht der Zwilling auf der Cyber-Seite aus Modellen, die bei Bedarf durch Simulations- oder Optimierungsfunktionen abgerufen werden, um Herausforderungen zu bewältigen. Es geht also um die proaktive Nutzung von Simulationen, um reale Probleme zu lösen, bevor sie überhaupt entstehen. Der Fokus verschiebt sich fundamental von der reaktiven Problemlösung hin zur vorausschauenden Optimierung des gesamten Lebenszyklus einer Komponente.
Die folgende Tabelle verdeutlicht den fundamentalen Unterschied zwischen dem, was Sie möglicherweise bereits nutzen, und dem, was ein digitaler Zwilling ermöglicht. Der Sprung ist vergleichbar mit dem von einer Landkarte zu einem Echtzeit-Navigationssystem mit Stauprognose.
| Aspekt | Traditionelle Telematik | Digitaler Zwilling |
|---|---|---|
| Datenfokus | Historische Daten (Wo war der LKW?) | Prädiktive Analyse (Was wird passieren?) |
| Funktionsumfang | GPS-Tracking, Fahrtenbuch | Zustandsvorhersage, Wartungsoptimierung |
| Datenquellen | GPS, Tachograph | IoT-Sensoren an einzelnen Containern deren Standort anzeigen und auf Schäden und Verschmutzung überwachen |
| Entscheidungsbasis | Vergangene Ereignisse | Maschinelles Lernen für effiziente Container-Einsätze |
Wie erkennt der Algorithmus einen Lagerschaden am Rad, bevor der Fahrer es hört?
Die Magie hinter der Früherkennung liegt in der Physik der Schwingungen. Jede rotierende Komponente in einem LKW – von der Kurbelwelle im Motor bis zum kleinsten Radlager – erzeugt im einwandfreien Zustand eine charakteristische und stabile Frequenzsignatur. Diese Signatur ist wie ein akustischer Fingerabdruck. Ein winziger Riss, eine Unwucht oder beginnender Materialverschleiß verändern dieses Muster auf subtile, aber messbare Weise. Ein menschliches Ohr kann diese feinen Veränderungen erst wahrnehmen, wenn der Schaden bereits fortgeschritten und ein Ausfall wahrscheinlich ist. Hochempfindliche Vibrationssensoren können diese Abweichungen jedoch sofort erfassen.
Der Algorithmus des digitalen Zwillings wird mit Tausenden von Stunden an Daten von intakten Bauteilen trainiert, um das „normale“ Frequenzmuster zu lernen. Jede Abweichung von diesem Normalzustand wird als Störungs-Anomalie markiert. Die Analyse geht aber noch weiter. Technische Studien belegen, dass Wälzlagerschäden in der Anfangsphase zur Erhöhung von Frequenzmodulationen im höheren Frequenzbereich führen. Mit fortschreitendem Schaden wandern diese Frequenzen in den tieferen Bereich. Der Algorithmus erkennt nicht nur, *dass* etwas nicht stimmt, sondern kann anhand der Art der Frequenzänderung auch auf die Art und das Stadium des Schadens schließen.
Wie ein Experte von Akustikingenieur.de in einem Fachartikel zur Vibrationsmessung hervorhebt, ist dieser Prozess hochspezifisch:
Jede Maschinenkomponente erzeugt charakteristische Frequenzmuster. Ein Lager mit n Kugeln, das mit der Drehzahl f rotiert, erzeugt spezifische Frequenzen für Innenring-, Außenring- und Wälzkörperschäden.
– Akustikingenieur.de, Vibrationsmessung zur Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit
Dieses Prinzip der Frequenzanalyse ermöglicht es, einen sich anbahnenden Lagerschaden am Rad zu diagnostizieren, lange bevor der Fahrer ein Rumpeln hört oder der Techniker bei der Sichtprüfung etwas feststellen kann. Der digitale Zwilling übersetzt die unsichtbare Sprache der Vibrationen in eine konkrete Warnung.

Die visuelle Darstellung solcher Frequenzmuster macht deutlich, wie sich eine minimale physische Veränderung in einem klaren Datensignal niederschlägt. Was für das menschliche Auge unsichtbar bleibt, wird für den Algorithmus zu einer unübersehbaren Warnung.
Just-in-Time Reparatur: Wie legen Sie Wartungstermine in die Ruhezeiten der Fahrer?
Die beste Vorhersage ist nutzlos ohne einen intelligenten Plan zur Umsetzung. Die wahre Stärke des digitalen Zwillings liegt in der Verknüpfung der Schadensprognose mit der operativen Logistik. Ziel ist es, die Reparatur durchzuführen, bevor das Bauteil ausfällt, aber so spät wie möglich, um die Lebensdauer der Komponente maximal auszunutzen und – entscheidend – die produktive Zeit des Fahrzeugs nicht zu beeinträchtigen. Hier kommen die gesetzlichen Ruhezeiten der Fahrer ins Spiel.
Anstatt einen LKW für einen halben oder ganzen Tag aus dem Verkehr zu ziehen, identifiziert das System die ohnehin anfallenden Pausen. Die 45-minütige Pause nach 4,5 Stunden Fahrt oder die längere tägliche Ruhezeit werden zu geplanten Wartungsfenstern. Das System analysiert in Echtzeit die Route des LKW, die prognostizierte Restlebensdauer des Bauteils und die Verfügbarkeit von Partnerwerkstätten entlang der Strecke. Wenn der Algorithmus beispielsweise eine 80%ige Ausfallwahrscheinlichkeit für das Radlager innerhalb der nächsten 500 Kilometer berechnet, startet ein automatisierter Prozess. Das System prüft, welche qualifizierte Werkstatt sich in der Nähe des nächsten geplanten Pausenstopps befindet, ob das benötigte Ersatzteil dort vorrätig ist und bucht proaktiv einen Termin für das 45-minütige Wartungsfenster. Gleichzeitig wird das Ersatzteil bereits zur Werkstatt versandt.
Ihr 5-Punkte-Plan zur Just-in-Time-Wartung
- Datenaggregation in Echtzeit: Sammeln Sie kontinuierlich Sensordaten und verknüpfen Sie diese mit Pannenstatistiken und Nutzungsprofilen Ihrer Flotte.
- Identifikation von Wartungsfenstern: Nutzen Sie die Telematikdaten, um gesetzlich vorgeschriebene Pausen (45 Minuten) oder tägliche Ruhezeiten als potenzielle Service-Slots zu markieren.
- Prognose der Ausfallwahrscheinlichkeit: Implementieren Sie einen Algorithmus, der die Ausfallwahrscheinlichkeit für kritische Komponenten für die nächsten 500-1000 km berechnet.
- Automatisierte Werkstattprüfung: Das System muss automatisch die Verfügbarkeit bei Partnerwerkstätten im Umkreis des nächsten Pausenstopps prüfen können.
- Proaktive Termin- und Teilelogistik: Buchen Sie den Werkstatttermin automatisch und initiieren Sie parallel den Versand der benötigten Ersatzteile an die Werkstatt.
Anwendungsbeispiel: Mercedes-Benz Uptime System
Ein prominentes Beispiel aus der Praxis ist Mercedes-Benz Uptime. Das System überwacht kontinuierlich alle relevanten Fahrzeugdaten vom Motor bis zum Abgassystem. Erkennt es ein Problem, wie z.B. einen drohenden Defekt an der AdBlue-Einspritzung, informiert es automatisch die Zentrale, die nächstgelegene Werkstatt und den Flottenmanager. Oft werden Wartungsempfehlungen in Echtzeit ausgesprochen, die es ermöglichen, den Service während einer ohnehin geplanten Pause durchzuführen und so einen ungeplanten Stillstand komplett zu vermeiden.
Wie viel Euro spart die Vermeidung eines einzigen ungeplanten Stillstands auf der Autobahn?
Die Kosten eines ungeplanten LKW-Stillstands gehen weit über die reine Reparaturrechnung hinaus. Für einen Flottenmanager setzt sich die wahre Rechnung aus einer Kaskade von Folgekosten zusammen: Abschleppgebühren, die oft im vierstelligen Bereich liegen, Kosten für die Notfallreparatur außerhalb regulärer Werkstattzeiten, Vertragsstrafen für verspätete Lieferungen, die Kosten für ein Ersatzfahrzeug und nicht zuletzt der immense administrative Aufwand. Ein einziger Vorfall kann schnell Kosten von 5.000 bis 15.000 Euro verursachen, den Imageschaden nicht eingerechnet.
Hier zeigt die vorausschauende Wartung ihren enormen finanziellen Hebel. Sie wandelt teure, unplanbare Notfälle in günstige, planbare Wartungsarbeiten um. Eine Studie, die im WirtschaftsWoche-Blog zitiert wird, beziffert das Potenzial eindrucksvoll: Durch vorausschauende Analytik kann die Verfügbarkeit einer Anlage um bis zu 15 Prozent gesteigert werden, während der Wartungsaufwand um 30 Prozent und die Wartungskosten sogar um 50 Prozent sinken. Diese Zahlen sind keine abstrakten Größen, sondern direkt auf den Fuhrpark übertragbar. Jeder verhinderte Stillstand auf der Autobahn ist ein direkter Gewinn in Ihrer Bilanz.

Stellen Sie sich die planmäßige, ruhige Szene einer Wartung auf einem Rastplatz im Vergleich zum Chaos eines Pannenstreifens auf der Autobahn vor. Der Unterschied ist nicht nur operativ, sondern vor allem finanziell gewaltig. Die Einsparungen entstehen nicht nur durch geringere Reparaturkosten, sondern vor allem durch die Maximierung der Fahrzeugverfügbarkeit (Uptime). Jeder Kilometer, den Ihr LKW fährt, anstatt am Straßenrand zu stehen, generiert Umsatz. Predictive Maintenance ist somit keine reine Kostenoptimierung, sondern eine direkte Investition in die Produktivität Ihrer Flotte.
Können Sie „Predictive Maintenance“ auch bei älteren Fahrzeugen nachrüsten?
Die gute Nachricht für Flottenmanager mit einem gemischten oder älteren Fuhrpark lautet: Ja, vorausschauende Wartung ist nicht ausschließlich Neufahrzeugen mit voll integrierten Werkssystemen vorbehalten. Die Nachrüstung, auch „Retrofitting“ genannt, ist eine absolut gangbare und wirtschaftlich sinnvolle Option. Der Schlüssel liegt in der modularen Anbringung von Drittanbieter-Sensorik an kritischen Komponenten.
Der Prozess sieht typischerweise so aus: An Bauteilen mit hohem Ausfallrisiko oder hohen Ausfallkosten – wie dem Motorblock, den Radlagern, dem Getriebe oder dem Kühlsystem – werden externe Sensoren angebracht. Gängig sind hier Vibrationssensoren, Temperatursensoren oder auch Sensoren zur Analyse der Ölqualität. Diese Sensoren sind oft magnetisch oder werden mit speziellen Halterungen befestigt. Die von ihnen gesammelten Daten werden an ein zentrales „Gateway“ im Fahrzeug gesendet. Dieses Gateway, eine kleine Box mit eigener SIM-Karte, bündelt die Daten und überträgt sie über das Mobilfunknetz an die Cloud-Plattform des Anbieters, wo die eigentliche Analyse durch die Algorithmen des digitalen Zwillings stattfindet.
Natürlich gibt es bei der Nachrüstung einige Punkte zu beachten. Die Datenqualität von Drittanbieter-Sensoren muss sichergestellt werden und die Integration in Ihre bestehenden Flottenmanagement-Systeme sollte reibungslos funktionieren. Zudem ist eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse für jedes Fahrzeugmodell erforderlich. Bei einem sehr alten LKW, der kurz vor der Ausmusterung steht, ist der Aufwand eventuell nicht mehr gerechtfertigt. Für einen fünf Jahre alten LKW, der noch viele Jahre im Dienst sein soll, kann sich die Investition jedoch bereits nach der Vermeidung eines einzigen schweren Motorschadens amortisieren.
Computer vs. Realität: Warum die digitale Simulation den echten Windkanal nie ganz ersetzt?
Obwohl der digitale Zwilling ein extrem leistungsfähiges Werkzeug ist, ist es entscheidend, seine Grenzen zu verstehen. Er ist ein Meister der operativen Simulation, nicht der grundlegenden Design-Simulation. Der Titel spielt auf den Windkanal an, ein klassisches Werkzeug zur aerodynamischen Optimierung eines Fahrzeug*designs*. Hier geht es um Grundlagenphysik, die in einer kontrollierten Umgebung getestet wird. Der digitale Zwilling tut etwas anderes: Er simuliert den *Betriebszustand* eines bereits existierenden, realen Fahrzeugs unter realen, chaotischen Bedingungen.
Seine Vorhersagegenauigkeit hängt fundamental von der Qualität und Quantität der Daten ab, mit denen er gefüttert wird. Das Prinzip „Garbage in, garbage out“ gilt hier uneingeschränkt. Wenn ein Sensor falsch kalibriert ist oder der Betriebsdaten-Kontext (z. B. extreme Witterungsbedingungen oder ungewöhnlich schwere Ladung) nicht korrekt erfasst wird, leidet die Prognosequalität. Der Zwilling ist keine Kristallkugel; er ist eine hochkomplexe Mustererkennungsmaschine. Er kann nur Muster erkennen, die er – oder ein ähnliches Modell – zuvor in den Trainingsdaten gesehen hat.
Ein völlig neuartiger, noch nie dagewesener Schadensmechanismus könnte vom System daher zunächst nicht korrekt interpretiert werden. Erst nachdem dieser neue Fehlertyp aufgetreten ist und die entsprechenden Daten (Vibrationsmuster vor dem Ausfall) in das Modell eingespeist wurden, lernt der Zwilling, auch diese Anomalie in Zukunft zu erkennen. Der digitale Zwilling ersetzt also nicht den erfahrenen Mechaniker oder Ingenieur, sondern gibt ihm ein Werkzeug an die Hand, das seine Fähigkeiten erweitert. Er ist ein Frühwarnsystem, das die Nadel im Heuhaufen der Daten findet, aber die finale Diagnose und Entscheidung bleibt eine menschliche Aufgabe, die durch die Daten des Zwillings massiv unterstützt wird.
Wenn das Update scheitert: Wer zahlt, wenn das Auto nach dem Download nicht mehr startet?
Die zunehmende Vernetzung und Software-Abhängigkeit von LKW wirft eine kritische Frage auf, die jeden Flottenmanager betrifft: die der Haftung. Was passiert, wenn ein Over-the-Air (OTA) Update fehlschlägt und das Fahrzeug lahmlegt? Die Antwort hängt entscheidend davon ab, wer das Update bereitstellt.
Im Fall von Hersteller-Updates, die direkt vom OEM (Original Equipment Manufacturer) aufgespielt werden, liegt die Haftung in der Regel beim Hersteller. Er ist für die Funktionsfähigkeit seiner Software verantwortlich. Schlägt ein offizielles Update fehl und verursacht einen Schaden oder Stillstand, greifen die Gewährleistungs- und Produkthaftungsgesetze. Als Flottenmanager sollten Sie jedoch die Geschäftsbedingungen (AGB) genau prüfen, da Hersteller versuchen könnten, ihre Haftung für bestimmte Szenarien (z.B. bei schlechter Netzverbindung während des Updates) einzuschränken.
Komplizierter wird es bei nachgerüsteten Systemen von Drittanbietern. Hier ist die Haftungskette deutlich fragmentierter. Wer ist verantwortlich, wenn ein Update des nachgerüsteten Predictive-Maintenance-Systems zu einem Konflikt mit der Fahrzeug-ECU (Electronic Control Unit) führt? Ist es der Hersteller der Sensor-Hardware? Der Entwickler der Analyse-Software in der Cloud? Oder das Unternehmen, das die Installation vorgenommen hat? Für Flottenmanager ist es daher unerlässlich, vor der Beauftragung eines Drittanbieters glasklare Service-Level-Agreements (SLAs) auszuhandeln. In diesen SLAs muss exakt definiert sein, wer für fehlgeschlagene Updates, Datenkonflikte und daraus resultierende Fahrzeugausfälle haftet und welche Pönalen oder Entschädigungen greifen.
Das Wichtigste in Kürze
- Paradigmenwechsel: Der digitale Zwilling transformiert die Wartung von einem reaktiven Kostenfaktor zu einer proaktiven, datengesteuerten Strategie zur Maximierung der Verfügbarkeit.
- Kerntechnologie: Die Analyse von Frequenzsignaturen und anderen Sensordaten ermöglicht die Erkennung von Verschleiß, lange bevor ein mechanischer Defekt eintritt.
- Wirtschaftlicher Hebel: Die Vermeidung eines einzigen ungeplanten Stillstands kann bereits die Investitionskosten für ein nachgerüstetes System decken, indem teure Folgekosten eliminiert werden.
Wem gehören eigentlich die Bewegungsdaten, die Ihr „Connected Car“ rund um die Uhr sendet?
In einer datengesteuerten Welt ist die Frage nach dem Eigentum an den Daten von zentraler Bedeutung, insbesondere im stark regulierten deutschen und europäischen Umfeld (DSGVO). Die einfache Antwort lautet: Grundsätzlich gehören die vom Fahrzeug generierten Daten dem Eigentümer des Fahrzeugs, also Ihrem Unternehmen. Sie haben die Hoheit über die Daten Ihrer Flotte. Die Realität ist jedoch komplexer und wird durch die Verträge geregelt, die Sie mit dem Fahrzeughersteller oder dem Drittanbieter des Telematik- oder Predictive-Maintenance-Systems abschließen.
In der Regel räumen Sie dem Dienstanbieter durch Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen ein weitreichendes Nutzungsrecht an diesen Daten ein. Der Anbieter benötigt diese Daten, um seinen Dienst überhaupt erbringen zu können – also um die Analyse durchzuführen und Ihnen die Prognosen bereitzustellen. Darüber hinaus haben Hersteller ein großes Interesse daran, diese Daten in aggregierter und anonymisierter Form für eigene Zwecke zu nutzen. Sie können damit beispielsweise Schwachstellen in bestimmten Baureihen flottenübergreifend identifizieren, ihre Wartungspläne optimieren oder die nächste Fahrzeuggeneration verbessern.
Für Sie als Flottenmanager ist es entscheidend, die Datenklauseln in Ihren Verträgen genau zu prüfen. Achten Sie auf folgende Punkte:
- Zweckbindung: Für welche Zwecke darf der Anbieter die Daten genau nutzen? Nur für die Erbringung des Dienstes oder auch für Marketing und Weitergabe an Dritte?
- Anonymisierung: Ist vertraglich zugesichert, dass Daten, die für übergeordnete Analysen genutzt werden, vollständig anonymisiert werden, sodass kein Rückschluss auf Ihr Unternehmen oder Ihre Fahrer möglich ist?
- Datenhoheit bei Vertragsende: Was passiert mit Ihren historischen Daten, wenn Sie den Anbieter wechseln? Haben Sie ein Recht auf einen vollständigen Datenexport in einem nutzbaren Format?
Die Kontrolle über Ihre Daten ist ein wertvolles Gut. Eine klare vertragliche Grundlage ist unerlässlich, um die Vorteile der Vernetzung zu nutzen, ohne die Kontrolle über Ihre Geschäftsgeheimnisse zu verlieren.
Beginnen Sie noch heute damit, die Daten Ihrer Flotte nicht als Aufzeichnung der Vergangenheit, sondern als Blaupause für die Zukunft zu betrachten. Der erste Schritt ist die Analyse, welche kritischen Komponenten in Ihrem Fuhrpark die höchsten Ausfallrisiken und -kosten bergen, um dort gezielt mit der Implementierung einer vorausschauenden Wartungsstrategie anzusetzen.