
Die Beseitigung von Untersteuern ist kein Ratespiel, sondern die gezielte Anwendung von Fahrphysik. Der Schlüssel liegt darin, den Kompromiss zwischen maximalem Kurvengrip und der notwendigen Längsstabilität für Bremspunkte und Traktionsphasen bewusst zu managen.
- Die richtige Reihenfolge der Einstellungen (Höhe → Sturz → Spur) ist entscheidend, um redundante Arbeit zu vermeiden.
- Ein Reifenpyrometer ist das wichtigste Werkzeug, um die realen Auswirkungen Ihrer Sturzeinstellungen auf die Aufstandsfläche zu validieren.
- Jede Optimierung für die Kurve ist ein Kompromiss: Zu viel negativer Sturz reduziert die Bremsleistung und Traktion auf der Geraden.
Empfehlung: Behandeln Sie Ihr Fahrwerk als ein Gesamtsystem. Beginnen Sie mit den von Experten empfohlenen Basis-Einstellungen und nutzen Sie dann die Daten von Reifendruck und -temperatur, um das Setup iterativ für Ihren Fahrstil und die Bedingungen am Hockenheimring zu perfektionieren.
Jeder Trackday-Fahrer kennt das frustrierende Gefühl: Man lenkt in die Spitzkehre am Hockenheimring ein, aber das Fahrzeug schiebt unaufhaltsam über die Vorderachse Richtung Streckenbegrenzung. Dieses als Untersteuern bekannte Phänomen ist nicht nur zeitraubend, sondern auch ein klares Signal, dass die Kraftvektoren an der Vorderachse nicht optimal auf die Fahrbahnoberfläche übertragen werden. Die übliche Reaktion ist oft ein reflexartiges Erhöhen des negativen Sturzes oder eine Anpassung der Spur, basierend auf allgemeinen Ratschlägen aus Foren. Doch diese isolierten Änderungen führen selten zum gewünschten Ergebnis und können an anderer Stelle, etwa beim Anbremsen der Parabolika, neue Probleme schaffen.
Die weit verbreiteten Tipps zur Fahrwerksabstimmung behandeln das Fahrzeug oft wie eine Sammlung unabhängiger Komponenten. Man dreht hier an einer Schraube, um ein Symptom zu bekämpfen, ohne die systemischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Ein Fahrwerk ist jedoch ein komplexes, dynamisches System, in dem jede Änderung eine Konsequenz hat. Der wahre Schlüssel zur Eliminierung von Untersteuern liegt nicht in einer einzelnen magischen Einstellung, sondern im Verständnis der dahinterliegenden Fahrphysik und der bewussten Steuerung von Kompromissen. Es geht darum, den Traktionskreis – das theoretische Limit der Haftung in Längs- und Querrichtung – für die spezifischen Anforderungen des Hockenheimrings optimal zu formen.
Dieser Leitfaden verfolgt den Ansatz eines Fahrwerksingenieurs. Statt einfacher Rezepte liefern wir das nötige Verständnis der Wirkungszusammenhänge. Wir analysieren, wie Sturz, Spur, Reifendruck und Dämpfereinstellungen als Gesamtsystem agieren, um die dynamischen Radlasten unter allen Bedingungen – beim Bremsen, Einlenken und Herausbeschleunigen – zu managen. Wir zeigen Ihnen die korrekte, methodische Reihenfolge der Einstellungen und geben Ihnen die Werkzeuge an die Hand, um die Theorie in der Boxengasse des Hockenheimrings erfolgreich in die Praxis umzusetzen und die mechanische Haftung Ihres Fahrzeugs auf ein neues Niveau zu heben.
Um dieses komplexe Thema strukturiert anzugehen, führt dieser Artikel Sie schrittweise durch die entscheidenden Aspekte der Fahrwerksoptimierung. Das folgende Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen Überblick über die logische Abfolge der einzelnen Einstellparameter und deren physikalische Hintergründe.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zum perfekten Hockenheim-Setup
- Warum zu viel negativer Sturz Ihren Bremsweg gefährlich verlängert?
- Wie finden Sie den perfekten Warmdruck für Semislicks bei 20 Grad Außentemperatur?
- Fronttriebler-Setup: Wie bekommen Sie die Leistung beim Herausbeschleunigen auf den Boden?
- Das Setup-Paradoxon: Warum ein härteres Fahrwerk Sie im Regen langsamer macht
- In welcher Reihenfolge müssen Sie Höhe, Spur und Sturz anpassen, um nicht von vorn zu beginnen?
- Warum eine zu harte Zugstufe das Auto bei Bodenwellen „ansaugen“ und unruhig machen kann?
- Squat-Effekt: Warum entlastet Beschleunigen die Vorderachse und macht die Lenkung leicht?
- Wie stellen Sie Zug- und Druckstufe bei Ihrem KW-Fahrwerk für die Nordschleife richtig ein?
Warum zu viel negativer Sturz Ihren Bremsweg gefährlich verlängert?
Negativer Sturz – die Neigung des Rades, bei der die Oberkante nach innen zum Fahrzeug zeigt – ist das primäre Werkzeug zur Maximierung der Reifenaufstandsfläche in Kurven. Durch die Rollbewegung der Karosserie neigt sich das kurvenäußere Rad nach außen. Ein negativer statischer Sturz kompensiert diesen Effekt und sorgt dafür, dass die Lauffläche des Reifens in der Kurve plan auf der Straße aufliegt und maximale Querkräfte übertragen kann. Dies reduziert das Untersteuern im Scheitelpunkt. Doch diese Optimierung für die Querdynamik hat einen direkten, oft unterschätzten Preis bei der Längsdynamik. Beim Geradeausfahren und insbesondere beim Bremsen liegt durch den negativen Sturz nur noch die Innenseite der Lauffläche plan auf. Die effektive Aufstandsfläche des Reifens wird kleiner.
Diese Reduzierung der Kontaktfläche hat dramatische Folgen. Die Bremskräfte können nicht mehr optimal übertragen werden, was den Bremsweg verlängert. Eine Analyse von Auto Bild bestätigt, dass übermäßiger negativer Sturz den Geradeauslauf beeinträchtigt und den Bremsweg durch die reduzierte Aufstandsfläche messbar verlängert. Für den Hockenheimring bedeutet das: Was Sie in der Spitzkehre an Kurvengeschwindigkeit gewinnen, verlieren Sie möglicherweise durch einen späteren Bremspunkt vor der nächsten Kurve. Der optimale Sturzwert ist daher immer ein Systemkompromiss zwischen Kurven-Performance und Bremsstabilität. Das Ziel ist nicht der maximal mögliche negative Sturz, sondern der Sturz, der über eine ganze Runde die beste Gesamt-Performance liefert.
Die einzige Möglichkeit, diesen Kompromiss objektiv zu finden, ist die Messung der Reifentemperatur über die Laufflächenbreite. Nur so können Sie validieren, wie die Aufstandsfläche unter realer Belastung arbeitet. Ein Reifenpyrometer ist hierfür Ihr wichtigstes Diagnosewerkzeug.
Ihr Plan zur Sturzmessung mit dem Reifenpyrometer
- Unmittelbare Messung: Fahren Sie nach einem konstanten Stint von ca. 10 Minuten sofort in die Boxengasse. Jede Sekunde Wartezeit verfälscht das Ergebnis durch Temperaturausgleich.
- Drei-Punkt-Messung: Messen Sie mit einem Einstech-Pyrometer die Temperatur an drei Punkten der Lauffläche: an der inneren Schulter, in der Mitte und an der äußeren Schulter.
- Analyse der Temperaturverteilung: Bei einer optimalen Sturzeinstellung für die Strecke sollte die Temperatur über die drei Messpunkte möglichst gleichmäßig verteilt sein. Eine leichte Erhöhung innen (ca. 5-8°C) ist oft ein guter Kompromiss.
- Korrektur bei Abweichung: Ist die Innenseite des Reifens deutlich heißer (>10-15°C) als die Außenseite, haben Sie zu viel negativen Sturz. Die Reifeninnenseite wird überhitzt und verschleißt schneller, während das Potenzial der restlichen Lauffläche ungenutzt bleibt.
- Iterative Anpassung: Reduzieren Sie in diesem Fall den negativen Sturz in kleinen Schritten von 0,2 bis 0,3 Grad und führen Sie eine erneute Messfahrt durch, um das Ergebnis zu validieren.
Wie finden Sie den perfekten Warmdruck für Semislicks bei 20 Grad Außentemperatur?
Der Reifendruck ist einer der fundamentalsten und gleichzeitig am häufigsten falsch eingestellten Parameter im Trackday-Einsatz. Er beeinflusst nicht nur die Größe der Aufstandsfläche, sondern vor allem die Stabilität der Reifenflanke. Ein korrekter Warmdruck sorgt dafür, dass die Flanke die hohen Querkräfte in den schnellen Kurven des Hockenheimrings abstützen kann, ohne einzuknicken. Ein zu niedriger Druck führt zu einem „schwammigen“ Gefühl, unpräzisem Einlenkverhalten und einer Überhitzung der Reifenschultern. Ein zu hoher Druck verkleinert die Aufstandsfläche, reduziert die mechanische Haftung und führt zu übermäßigem Verschleiß in der Mitte der Lauffläche. Der Zielwert ist also immer der optimale Warmdruck, der sich nach einigen schnellen Runden einstellt.
Die Herausforderung besteht darin, den richtigen Kaltdruck vor dem Stint so zu wählen, dass dieser Zieldruck auf der Strecke erreicht wird. Dieser Kaltdruck ist stark von der Außentemperatur und der Sonneneinstrahlung abhängig. Als konkretes Beispiel für den Hockenheimring: Das Porsche Experience Center am Hockenheimring empfiehlt bei 20°C Außentemperatur für Semislicks einen Startdruck von ca. 1,8 bar kalt. Dieser stellt sich nach 3-4 Runden auf die optimalen 2,2 bis 2,4 bar im warmen Zustand ein. Ein wichtiger Praxistipp ist dabei, die Position im Fahrerlager zu berücksichtigen: Steht das Fahrzeug in der prallen Sonne, kann der Kaltdruck bereits um bis zu 0,2 bar höher sein als im Schatten, was bei der Einstellung berücksichtigt werden muss.
Die optimalen Drücke variieren jedoch je nach Reifenmodell und Fahrzeuggewicht. Der folgende Vergleich zeigt typische Zielwerte für gängige Semislicks, die als exzellenter Ausgangspunkt für Ihre eigenen Tests dienen können.
| Reifenmarke | Kaltdruck (20°C) | Warmdruck Ziel | Besonderheit Hockenheim |
|---|---|---|---|
| Michelin Pilot Sport Cup 2 | 1,9 bar | 2,3-2,5 bar | Stabil auf Parabolika |
| Nankang AR-1 | 1,7 bar | 2,1-2,3 bar | Schnelle Erwärmung |
| Pirelli Trofeo R | 2,0 bar | 2,4-2,6 bar | Höhere Drücke für Stabilität |
Fronttriebler-Setup: Wie bekommen Sie die Leistung beim Herausbeschleunigen auf den Boden?
Frontangetriebene Fahrzeuge, wie ein Golf GTI oder ein Hyundai i30 N, stehen am Kurvenausgang der engen Spitzkehre vor einer besonderen physikalischen Herausforderung. Beim Beschleunigen findet eine dynamische Radlastverlagerung von der Vorder- zur Hinterachse statt. Die Vorderachse wird entlastet, genau in dem Moment, in dem sie die maximale Längskraft auf die Straße übertragen soll. Das Resultat ist durchdrehende Räder, Leistungsverlust und ein starkes Untersteuern am Kurvenausgang, da die Vorderreifen gleichzeitig lenken und beschleunigen müssen. Das Ziel des Setups ist es, diese Entlastung zu minimieren und die Traktion der Vorderachse zu maximieren.
Eine härtere Druckstufe an der Vorderachse kann das Einfedern beim Bremsen (Nicken) reduzieren, hat aber weniger Einfluss auf das Ausfedern beim Beschleunigen. Entscheidender sind oft eine angepasste Federrate und eine gut eingestellte Zugstufe, die ein zu schnelles Ausfedern der Front verhindert. Ebenso ist eine moderate Vorspur an der Vorderachse hilfreich. Unter Last ziehen sich die Räder in Richtung Nachspur, eine leichte statische Vorspur kann dies kompensieren und sorgt für eine stabilere Aufstandsfläche beim Beschleunigen. Ein mechanisches Sperrdifferenzial ist hierbei die effektivste Hardware-Lösung, da es die Kraft aktiv an das Rad mit der besseren Traktion leitet.
Die folgende Abbildung verdeutlicht die sichtbare Gewichtsverlagerung eines sportlichen Kompaktwagens beim Herausbeschleunigen aus einer engen Kehre und die damit verbundene Herausforderung für die Vorderachse.

Diese dynamischen Effekte zeigen, dass ein Setup für den Trackday ein iterativer Prozess ist. Ein wertvoller Ratschlag für Hobby-Fahrer stammt direkt von den Experten, wie der KW Automotive Blog in seinem Fahrwerk-Setup Guide hervorhebt:
Das ‚Set-and-Forget‘-Prinzip für Hobby-Fahrer: Höhe einmal für Hockenheim einstellen, Spur und Druck während des Tages dynamisch anpassen
– KW Automotive Blog, KW Automotive Fahrwerk-Setup Guide
Dieser pragmatische Ansatz erlaubt es, sich auf die variablen Faktoren zu konzentrieren, die von den Streckenbedingungen abhängen.
Das Setup-Paradoxon: Warum ein härteres Fahrwerk Sie im Regen langsamer macht
Auf trockener Strecke ist ein straffes Fahrwerk oft der Schlüssel zum Erfolg. Es reduziert die Roll- und Nickbewegungen der Karosserie, ermöglicht schnelle Lastwechsel und gibt dem Fahrer ein sehr direktes Feedback. Doch sobald die Strecke nass wird, verkehrt sich dieser Vorteil ins Gegenteil. Das sogenannte „Setup-Paradoxon“ besagt: Ein für die Trockenheit optimiertes, hartes Fahrwerk ist im Regen oft deutlich langsamer und unsicherer. Der Grund liegt in der Fähigkeit des Reifens, den Bodenkontakt aufrechtzuerhalten. Eine nasse Fahrbahn ist nie perfekt eben. Ein hartes Fahrwerk kann auf kleinen Unebenheiten oder bei Pfützen nicht schnell genug ein- und ausfedern. Das Rad verliert kurzzeitig den Kontakt zur Straße, es „springt“. In diesem Moment kann keine Kraft – weder Brems- noch Seitenführungskraft – übertragen werden.
Ein weicheres Setup, insbesondere eine weichere Druck- und Zugstufe, erlaubt dem Rad, dem Bodenprofil besser zu folgen. Der Reifen behält den Kontakt, kann das Wasser effektiver verdrängen und somit kontinuierlich mechanischen Grip aufbauen. Der gefühlte Nachteil einer stärkeren Karosseriebewegung wird durch den realen Vorteil des konstanten Bodenkontakts mehr als aufgewogen. ADAC Tests zeigen, dass sich bei zu harter Dämpfereinstellung auf nasser Fahrbahn der durchschnittliche Bremsweg von 3,4 auf über 4 Meter verlängern kann – ein Indiz für den Verlust an mechanischer Haftung. Obwohl diese spezifischen Zahlen aus einem anderen Fahrzeugkontext stammen, illustrieren sie das universelle physikalische Prinzip perfekt.
Für einen Trackday im Regen auf dem Hockenheimring bedeutet das, dass Sie Ihr Setup aktiv anpassen müssen. Wer mit seiner Trockenabstimmung weiterfährt, wird nicht nur langsamer sein, sondern auch ein deutlich höheres Risiko eingehen. Die folgende Checkliste gibt eine praktische Orientierung für ein Basis-Regensetup.
Ihre Regen-Setup Checkliste für Hockenheim
- Druckstufe vorne anpassen: Stellen Sie die Druckstufe an der Vorderachse 5 Klicks weicher ein als Ihre Trockeneinstellung, um das Einlenkverhalten zu verbessern.
- Zugstufe vorne anpassen: Drehen Sie die Zugstufe 3 Klicks weicher, um eine bessere Bodenhaftung beim Überfahren von kleinen Unebenheiten zu gewährleisten.
- Druckstufe hinten anpassen: Eine um 4 Klicks weichere Druckstufe hinten erhöht die Traktion an der Hinterachse und macht das Heck berechenbarer.
- Zugstufe hinten anpassen: 2 Klicks weicher an der Zugstufe hinten stabilisieren das Heck, da das Rad schneller wieder Bodenkontakt findet.
- Reifendruck anpassen: Reduzieren Sie den Ziel-Warmdruck um ca. 0,2 bar im Vergleich zur Trockenabstimmung, um die Aufstandsfläche zu vergrößern und die Wassertemperatur im Reifen besser zu managen.
In welcher Reihenfolge müssen Sie Höhe, Spur und Sturz anpassen, um nicht von vorn zu beginnen?
Die wohl häufigste und frustrierendste Fehlerquelle bei der Fahrwerksabstimmung ist die falsche Reihenfolge der Arbeitsschritte. Wer zuerst die Spur perfekt einstellt und danach die Fahrzeughöhe oder den Sturz ändert, wird feststellen, dass seine mühsam eingestellte Spur wieder verstellt ist. Der Grund dafür ist die Fahrwerkskinematik. Die Lenker und Spurstangen bewegen sich auf Kreisbögen. Jede Änderung der Höhe oder des Sturzes führt zwangsläufig zu einer Änderung der Spur. Um diese ineffiziente Schleife zu vermeiden, gibt es eine strikt logische und unveränderliche Reihenfolge.
Diese professionelle Vorgehensweise stellt sicher, dass jede Einstellung auf der vorherigen aufbaut und nicht von der nächsten wieder zunichtegemacht wird. Wolfgang Weber, renommierter Fahrwerksexperte und Buchautor, empfiehlt in seinem Standardwerk „Fahrdynamik in Perfektion“ genau diesen Workflow für Trackdays:
Fallstudie: Der Setup-Workflow von Wolfgang Weber Motorsport
Für eine effiziente Abstimmung am Trackday empfiehlt Wolfgang Weber Motorsport folgende Sequenz, die wertvolle Boxenzeit spart: 1. Fahrzeughöhe einstellen: Die Fahrzeughöhe ist die Basis von allem. Sie beeinflusst das Rollzentrum, den Schwerpunkt und die Kinematik der gesamten Achse. Sie muss als Allererstes finalisiert werden. 2. Sturz anpassen: Nach jeder Höhenänderung verändert sich der statische Sturz. Daher wird der Sturz als Zweites eingestellt, basierend auf den Zielen für die Kurvenperformance. 3. Spur feinjustieren: Die Spur ist der letzte Schritt. Da sowohl Höhen- als auch Sturzänderungen die Spur beeinflussen, wird sie ganz am Ende präzise justiert, um das Einlenkverhalten und die Stabilität zu finalisieren. Diese Reihenfolge minimiert Nacharbeit und ist der effizienteste Weg zu einem konsistenten Setup.
Für den ambitionierten Trackday-Fahrer, der diese Einstellungen selbst vornehmen möchte, ist das richtige Werkzeug entscheidend. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die notwendigen Messwerkzeuge und deren Kosten-Nutzen-Verhältnis.
| Werkzeug | Kosten | Genauigkeit | Empfehlung für |
|---|---|---|---|
| Digitale Spurmessplatten | 300-500€ | ±1mm | Ambitionierte Trackday-Fahrer |
| Laser-Achsvermessung Werkstatt | 80-150€ pro Messung | ±0,1mm | Gelegenheitsfahrer |
| Sturzmesslehre digital | 150-250€ | ±0,1° | Regelmäßige Streckeneinsätze |
| Reifenpyrometer | 100-200€ | ±1°C | Alle Streckenfahrer |
Warum eine zu harte Zugstufe das Auto bei Bodenwellen „ansaugen“ und unruhig machen kann?
Während die Druckstufe des Stoßdämpfers die Geschwindigkeit des Einfederns kontrolliert (z.B. bei Bremsvorgängen oder in Kompressionen), ist die Zugstufe für die Geschwindigkeit des Ausfederns verantwortlich. Ihre Aufgabe ist es, die in der Feder gespeicherte Energie kontrolliert abzubauen und zu verhindern, dass das Rad nach einer Bodenwelle unkontrolliert ausfedert und „springt“. Eine zu weiche Zugstufe führt zu einem „nachschwingenden“, schwammigen Fahrverhalten. Eine korrekt eingestellte Zugstufe beruhigt die Karosserie und sorgt dafür, dass der Reifen schnell wieder satten Kontakt zur Fahrbahn hat. Doch was passiert, wenn die Zugstufe zu hart eingestellt ist?
Eine übermäßig harte Zugstufe verlangsamt das Ausfedern des Rades zu stark. Fährt das Fahrzeug über eine schnelle Abfolge von Bodenwellen oder über die flachen Kerbs am Hockenheimring, hat das Rad nicht genug Zeit, vollständig auszufedern, bevor die nächste Welle kommt. Mit jeder Welle federt das Auto ein Stück weiter ein, ohne wieder vollständig auszufedern. Es fühlt sich an, als würde das Auto nach unten „gesaugt“ und auf den Begrenzern aufsetzen. Dies reduziert den verfügbaren Federweg drastisch, macht das Fahrzeug extrem hart, unruhig und unvorhersehbar. Der Reifen verliert den optimalen Kontakt zum Boden, was zu einem plötzlichen Gripverlust führen kann.

Die Kunst besteht darin, die Zugstufe so hart wie nötig einzustellen, um die Karosserie zu beruhigen, aber so weich wie möglich, um den Rädern zu erlauben, dem Streckenprofil zu folgen. Die Fahrwerksexperten von KW Automotive geben hierzu eine klare Empfehlung zur grundlegenden Herangehensweise:
Erster Schritt bei der Veränderung der Dämpfungseinstellung: Infos von der Strecke wie Wellen zuerst mit der Zugstufe angehen, Infos vom Fahrverhalten wie Einlenken zuerst mit der Druckstufe
– KW Automotive, KW automotive Blog – Fahrwerk Setup Guide
Diese Unterscheidung ist fundamental für eine methodische Abstimmung.
Squat-Effekt: Warum entlastet Beschleunigen die Vorderachse und macht die Lenkung leicht?
Der „Squat-Effekt“ ist die fahrphysikalische Bezeichnung für das Einfedern der Hinterachse beim Beschleunigen. Er ist das Gegenstück zum „Dive“ (Eintauchen) der Front beim Bremsen. Wenn Sie aus einer Kurve, wie der Sachskurve, herausbeschleunigen, werden die Antriebskräfte in eine Beschleunigung des Fahrzeugs umgesetzt. Aufgrund der Trägheit der Masse, die am Schwerpunkt angreift, entsteht ein Drehmoment, das die Karosserie nach hinten kippt. Dies führt zu einer dynamischen Radlastverlagerung: Die Hinterachse wird stärker belastet, während die Vorderachse entlastet wird. Dieses Phänomen ist bei heck- und allradgetriebenen Fahrzeugen besonders ausgeprägt.
Für den Fahrer äußert sich diese Entlastung der Vorderachse in einem leichten, unpräzisen Lenkgefühl. Da die Vorderreifen weniger Anpressdruck haben, können sie geringere Seitenführungskräfte aufbauen. Das Fahrzeug neigt dazu, am Kurvenausgang nach außen zu schieben – es untersteuert. Das Ziel des Setups ist es, diesen Squat-Effekt zu kontrollieren, um die Fahrzeugbalance und Lenkpräzision beim Herausbeschleunigen zu erhalten. Die primäre Stellschraube hierfür ist die Druckstufe an den hinteren Dämpfern. Eine härtere Einstellung verlangsamt das Einfedern der Hinterachse und reduziert so das Ausmaß des Squats. Tests am Porsche Experience Center am Hockenheimring haben gezeigt, dass dies messbare Vorteile bringt.
Fallstudie: Porsche 911 Carrera 4S Anti-Squat Optimierung
Tests mit einem Porsche 911 Carrera 4S haben gezeigt, dass der Squat-Effekt durch eine Erhöhung der hinteren Druckstufe um 4-6 Klicks deutlich reduziert werden kann. Dies führt zu einer besseren Balance des Fahrzeugs. Die wichtigste Folge: Die Lenkpräzision beim Herausbeschleunigen aus der Spitzkehre wurde messbar verbessert, was sich in um 15% kürzeren Lenkwegen für die gleiche Kurvenlinie äußerte. Dies zeigt, wie eine gezielte Dämpferanpassung die Traktion und Fahrbarkeit direkt optimiert.
Die richtige Herangehensweise zur Kontrolle des Squat-Effekts ist stark vom Antriebskonzept des Fahrzeugs abhängig.
Ihr Anti-Squat Einstellungsguide für verschiedene Antriebskonzepte
- Heckantrieb (z.B. BMW M2): Stellen Sie die Druckstufe an der Hinterachse ca. 20-30% härter ein als an der Vorderachse, um dem starken Nickmoment entgegenzuwirken.
- Allradantrieb (z.B. Audi RS3): Beginnen Sie mit einer ausgewogenen Druckstufenverteilung und fokussieren Sie sich zunächst auf die Federhärte. Erhöhen Sie die hintere Druckstufe nur bei starkem Squat moderat.
- Frontantrieb (z.B. Honda Civic Type R): Hier ist der Squat-Effekt weniger problematisch als der Dive-Effekt beim Bremsen. Eine härtere vordere Druckstufe ist oft wichtiger, um die Front beim Anbremsen zu stabilisieren.
- Mittelmotor (z.B. Porsche Cayman): Durch die zentrale Gewichtsverteilung ist der Squat-Effekt geringer. Eine minimale Erhöhung der hinteren Druckstufe (ca. 10-15%) ist meist ausreichend.
- Validierungstest: Führen Sie nach jeder Einstellung eine Serie von 5 Beschleunigungsvorgängen aus einer engen Kurve durch und bewerten Sie subjektiv die Veränderung der Lenkpräzision und des Heckverhaltens.
Das Wichtigste in Kürze
- Die korrekte Einstellreihenfolge (Höhe → Sturz → Spur) ist nicht verhandelbar und spart wertvolle Zeit und Arbeit.
- Das Reifenpyrometer ist die Wahrheit. Es liefert die objektiven Daten, die Sie benötigen, um den idealen Kompromiss beim Sturz zu finden.
- Jede Fahrwerkseinstellung ist ein Kompromiss innerhalb des Traktionskreises. Mehr Grip in der Kurve bedeutet oft weniger Stabilität beim Bremsen oder Beschleunigen.
Wie stellen Sie Zug- und Druckstufe bei Ihrem KW-Fahrwerk für die Nordschleife richtig ein?
Die Nürburgring-Nordschleife und der Hockenheimring sind zwei Ikonen des deutschen Motorsports, stellen aber fundamental unterschiedliche Anforderungen an ein Fahrwerk. Die Nordschleife ist geprägt von unzähligen Kuppen, Senken, Sprunghügeln und schnellen Wechselkurven mit teils schlechtem Belag. Hier sind große Federwege und eine eher weichere Dämpfung (insbesondere in der Zugstufe) entscheidend, damit die Räder auch bei hohen Geschwindigkeiten und im Flug über Kuppen wie am „Flugplatz“ oder „Pflanzgarten“ den Bodenkontakt nicht verlieren. Ein zu hartes Setup würde das Auto über die Wellen „springen“ lassen und unfahrbar machen.
Der Hockenheimring hingegen ist ein moderner Grand-Prix-Kurs: weitgehend eben, mit griffigem Asphalt und langen, hohen Querbeschleunigungsphasen in der Parabolika und schnellen Schikanen. Hier geht es primär darum, die Roll- und Nickbewegungen der Karosserie zu minimieren, um den Reifen in seiner optimalen Arbeitsposition zu halten. Ein weiches Nordschleifen-Setup würde hier zu starkem Wanken, unpräzisem Einlenken und massivem Untersteuern führen. Es wird eine deutlich härtere Druckstufe benötigt, um die Karosserie abzustützen. Wie Sidney Hoffmann bei einer Abstimmungsfahrt treffend bemerkte:
Ein perfektes Nordschleifen-Setup mit langsamer Dämpferbewegung und großen Federwegen führt auf dem Hockenheimring zu starkem Wanken und Untersteuern.
– Sidney Hoffmann, KW Fahrwerk Abstimmungsfahrt BMW M2
Diese fundamentalen Unterschiede lassen sich an den Basis-Setups eines KW V3 Gewindefahrwerks klar ablesen. Die folgende Tabelle, basierend auf Empfehlungen von KW, zeigt die deutlichen Abweichungen für ein vergleichbares Fahrzeug.
| Parameter | Nordschleife | Hockenheimring | Unterschied |
|---|---|---|---|
| Druckstufe vorne | 8 Klicks zu | 12 Klicks zu | +4 härter HR |
| Zugstufe vorne | 10 Klicks zu | 6 Klicks zu | -4 weicher HR |
| Druckstufe hinten | 6 Klicks zu | 10 Klicks zu | +4 härter HR |
| Zugstufe hinten | 12 Klicks zu | 8 Klicks zu | -4 weicher HR |
| Fahrhöhe | Standard | -5mm | Tiefer HR |
Der nächste Trackday ist Ihre Chance, diese Prinzipien anzuwenden. Gehen Sie methodisch vor, dokumentieren Sie jede Änderung und vertrauen Sie auf die Daten, die Ihr Fahrzeug Ihnen durch das Reifenbild und die Stoppuhr gibt. Beginnen Sie jetzt mit der Planung Ihres Setups für maximale mechanische Performance.