Veröffentlicht am März 11, 2024

Vergiss alles, was du über das Vermeiden von Rutschern gelernt hast. Die wahre Meisterschaft auf losem Untergrund liegt nicht darin, ein ausbrechendes Heck panisch zu korrigieren, sondern es gezielt zu provozieren und zu managen. Es geht darum, Instabilität als Werkzeug zu nutzen, um das Auto durch Gewichtsverlagerung und präzise Gas- und Bremsimpulse exakt auf Kurs zu zwingen – das ist aktives Fahren statt passivem Reagieren.

Die Reifen verlieren den Grip, das Heck bricht aus und der Puls schießt in die Höhe. Für die meisten Fahrer ist das der Moment, in dem der kalte Schweiß ausbricht. Die instinktive Reaktion? Gegenlenken, vom Gas gehen und hoffen. Aber was, wenn ich dir sage, dass genau dieser Moment der Schlüssel zu wahrer Fahrzeugbeherrschung ist? Was, wenn das ausbrechende Heck nicht dein Feind, sondern dein wichtigster Verbündeter ist, um eine Kurve auf Schotter schneller und sicherer zu durchfahren, als du es je für möglich gehalten hättest?

Auf Asphalt ist Grip dein bester Freund. Auf Schotter, Matsch oder Schnee ist die kontrollierte Instabilität dein Kompass. Die landläufige Meinung ist, man müsse ein Rutschen um jeden Preis vermeiden. Doch im Rallyesport, der Königsdisziplin des Fahrens auf losem Untergrund, lernen wir das genaue Gegenteil. Wir nutzen die Physik des Fahrzeugs, die sogenannte Lastwechseldynamik, um das Auto aktiv in die Kurve zu werfen und es dann mit Gas und Bremse auf dem schmalen Grat zwischen Chaos und Kontrolle zu balancieren. Es geht nicht darum, auf eine Situation zu reagieren – es geht darum, sie zu diktieren.

Dieser Guide ist keine Anleitung für den Sonntagsausflug. Er ist ein Einblick in die Denkweise eines Rallyefahrers. Wir werden uns ansehen, wie Techniken wie der Scandinavian Flick oder das Linksbremsen nicht nur für die Rennstrecke sind, sondern fundamentale Prinzipien der Fahrphysik demonstrieren. Du wirst lernen, warum ein Gasstoß stabilisieren und eine Bremse lenken kann. Mach dich bereit, deine Instinkte zu hinterfragen und dein Auto auf eine völlig neue Weise zu fühlen.

In den folgenden Abschnitten tauchen wir tief in die Techniken und das Verständnis ein, die notwendig sind, um dein Fahrzeug an der Grenze zu beherrschen. Wir werden die einzelnen Bausteine der Fahrzeugkontrolle auf losem Untergrund zerlegen, damit du sie verstehen und in sicherer Umgebung trainieren kannst.

Der „Skandinavian Flick“: Wann und wie setzen Sie das Anpendeln effektiv ein?

Der Scandinavian Flick, auch Rallye-Pendler genannt, ist vielleicht die spektakulärste und gleichzeitig effektivste Technik, um ein Auto für eine enge Kurve auf losem Untergrund zu positionieren. Anstatt die Kurve einfach anzubremsen und einzulenken, provozierst du bewusst einen doppelten Lastwechsel. Stell es dir wie einen Peitschenhieb vor: Du lenkst kurz von der Kurve weg, um das Fahrzeuggewicht auf die kurvenäußeren Räder zu verlagern, und lenkst dann abrupt in die Kurve ein. Durch die gespeicherte Energie in den Federn und Dämpfern schwingt das Heck schlagartig herum und rotiert das Auto perfekt in die neue Fahrtrichtung. Das ist kein unkontrolliertes Schleudern, sondern eine gezielte Einleitung eines Drifts.

Wann setzt man diese Technik ein? Hauptsächlich vor Kurven, für die ein normales Einlenken zu langsam wäre oder nicht genug Rotation erzeugen würde – typischerweise 90-Grad-Abzweige oder Haarnadelkurven auf Schotter oder Schnee. Der Untergrund muss das Rutschen zulassen. Auf griffigem Asphalt würdest du damit nur die Reifen ruinieren oder im schlimmsten Fall umkippen. Der Flick ermöglicht es dir, das Auto schon vor dem Scheitelpunkt der Kurve fast parallel zur Ausfahrt auszurichten. So kannst du extrem früh wieder voll beschleunigen, während andere noch lenken. Es ist die ultimative Demonstration von aktivem Fahren: Du diktierst dem Auto die Linie, anstatt dich von der Kurve führen zu lassen.

Das Erlernen erfordert viel Übung in einer sicheren Umgebung. Es geht um das perfekte Timing von Lenkimpuls, Gaswegnahme und dem erneuten Gaseinsatz, um den Drift zu stabilisieren und zu kontrollieren. Die Bewegung muss fließend und entschlossen sein. Zögern ist hier der größte Feind. Aber einmal gemeistert, gibt dir der Scandinavian Flick ein unglaubliches Werkzeug an die Hand, um das Fahrzeuggewicht aktiv zu managen und die Gesetze der Physik zu deinem Vorteil zu nutzen.

Ihr Plan zum sicheren Erlernen des Scandinavian Flick

  1. Sitzposition und Haltung optimieren: Stellen Sie Sitz und Lenkrad so ein, dass Sie eine absolute Kontrolle über die Bewegungen haben. Dies ist die Grundvoraussetzung, um die schnellen Lastwechsel präzise steuern zu können.
  2. Trainingsgelände suchen: Suchen Sie sich eine abgesperrte Übungsstrecke, wie sie etwa von Fahrtrainingsanbietern in der Nähe des Nürburgrings angeboten werden. Laut dem Deutschen Sportfahrer Kreis (DSK) ist das Training unter professioneller Anleitung essenziell.
  3. Grundlagen festigen: Bevor Sie an den Flick denken, müssen Sie das Anbremsen, das Kurvenfahren und die Kontrolle eines unter- sowie übersteuernden Fahrzeugs im Schlaf beherrschen.
  4. Kontrolliertes Driften üben: Beginnen Sie damit, auf verschiedenen losen Belägen kontrollierte Drifts einzuleiten, um ein Gefühl für das Fahrzeugverhalten an der Haftgrenze zu entwickeln.
  5. Legalität und Sicherheit: Trainieren Sie ausschließlich mit Fahrzeugen, die der StVZO entsprechen. Ob Allrad-, Front- oder Heckantrieb ist dabei zweitrangig – die Technik funktioniert mit allen Konzepten, wenn auch mit unterschiedlichem Verhalten.

Warum stabilisiert das Bremsen mit dem linken Fuß das Auto in der Kurve?

Das Bremsen mit dem linken Fuß, während der rechte auf dem Gas bleibt, ist eine der am meisten missverstandenen, aber mächtigsten Techniken im Rallyesport. Es klingt paradox: Warum sollte man gleichzeitig Gas geben und bremsen? Die Antwort liegt in der Fahrzeug-Balance und der gezielten Manipulation des Antriebsstrangs. Diese Technik dient nicht primär der Verzögerung, sondern der aktiven Steuerung der Fahrzeuglage, insbesondere in langen, schnellen Kurven auf losem Untergrund oder bei Fahrzeugen mit Turbolader, um den Ladedruck hochzuhalten.

Stell dir vor, du fährst mit einem frontgetriebenen Rallyeauto am Limit durch eine schnelle Schotterkurve. Das Auto beginnt zu untersteuern, schiebt also über die Vorderräder zum Kurvenäußeren. Dein Instinkt wäre, vom Gas zu gehen. Ein Rallyefahrer tut das Gegenteil: Er bleibt voll auf dem Gas und tippt gleichzeitig mit dem linken Fuß die Bremse an. Dadurch wird die Vorderachse, an der der Motor zieht, durch die Bremse „neutralisiert“. Die Bremskraft wirkt aber weiterhin voll auf die nicht angetriebene Hinterachse. Der Effekt ist wie ein sanfter Zug an der Handbremse: Das Heck wird leicht, dreht sich willig in die Kurve ein und neutralisiert das Untersteuern. Du lenkst also quasi mit der Bremse, ohne den Schwung zu verlieren. Bei einem Allradfahrzeug hilft es, die Kraftverteilung zu justieren und das Auto zu stabilisieren.

Nahaufnahme der Pedalerie beim Linksfuß-Bremsen im Rallye-Fahrzeug

Diese Technik trennt die Spreu vom Weizen. Sie erfordert enormes Feingefühl und Koordination, da die linke Fußsohle nicht an die feine Dosierung einer Bremse gewöhnt ist. Zu stark gebremst, und das Auto bricht unkontrollierbar aus. Zu schwach, und der Effekt verpufft. Es ist ein Tanz auf den Pedalen, der es ermöglicht, die Balance des Autos Millisekunde für Millisekunde anzupassen und es auf dem schmalen Grat der maximalen Haftung zu halten.

Der Effekt des Linksbremsens hängt stark von der Antriebsart ab, wie eine technische Diskussion unter Rallye-Fahrern verdeutlicht. Es ist ein Werkzeug, das man verstehen muss, um es korrekt einzusetzen.

Linksbremsen bei verschiedenen Antriebsarten
Antriebsart Effekt beim Linksbremsen Fahrzeugverhalten
Frontantrieb Bremse wirkt gegen Motor an Vorderachse, bei richtiger Dosierung neutralisiert sich das. Übrig bleibt Bremswirkung an Hinterachse. Effekt wie Handbremse ziehen – Auto dreht ein.
Heckantrieb Vorderräder werden gebremst bis hin zum Blockieren, Hinterräder schieben weiter. Auto rutscht über Vorderräder, wirkt stabilisierend, hilft aber nicht beim Eindrehen.

Wie nutzen Sie das Bremsen, um mehr Grip an der Vorderachse für die Kurve zu generieren?

Für die meisten Fahrer ist die Bremse ein Werkzeug zum Anhalten. Für einen erfahrenen Piloten ist sie ein Werkzeug zum Lenken. Dieser fundamental andere Blickwinkel ist der Schlüssel zur Fahrzeugbeherrschung. Das Geheimnis liegt im Konzept der dynamischen Achslastverschiebung. Wenn du bremst, wird die Masse deines Fahrzeugs nach vorne geschoben. Die vorderen Dämpfer tauchen ein, die Vorderreifen werden auf den Boden gepresst und ihre Aufstandsfläche vergrößert sich. Das Ergebnis: mehr mechanischer Grip an der Vorderachse. Genau diesen zusätzlichen Grip brauchst du, um scharf und präzise in eine Kurve einlenken zu können.

Der professionelle Rennfahrer Ben Barker hat diesen Zusammenhang treffend formuliert, wie er in einem Simulator-Exkurs auf Motorsport-Total erklärt:

Das Bremsen ist fundamental wichtig für die Kurvenfahrt. Viele Leute sehen das Bremsen und die Kurvenfahrt als zwei voneinander unabhängige Dinge an. Doch sie sind untrennbar miteinander verbunden.

– Ben Barker, Motorsport Total – Simulator-Exkurs

Die Technik, die dieses Prinzip perfektioniert, nennt sich „Trail Braking“. Anstatt vor der Kurve komplett von der Bremse zu gehen, löst du den Bremsdruck langsam und gefühlvoll, während du bereits einlenkst. Du „trägst“ die Bremse also in die Kurve hinein. Dadurch hältst du das Gewicht und den damit verbundenen zusätzlichen Grip auf der Vorderachse, genau in dem Moment, in dem die Reifen die meiste Seitenführungskraft aufbauen müssen. Gehst du zu früh von der Bremse, wird das Auto vorne leicht, die Reifen verlieren an Grip und das Fahrzeug beginnt zu untersteuern – es schiebt geradeaus. Mit Trail Braking zwingst du die Front förmlich in die Kurve. Auf Schotter hilft dieser Effekt zusätzlich, das Heck zum Eindrehen zu animieren. Du nutzt die Bremse nicht nur zur Verzögerung, sondern als aktives Instrument zur Steuerung der Fahrzeugbalance.

Wann stabilisiert ein leichter Gasstoß das Fahrzeug in einer unruhigen Passage?

Genauso wie die Bremse lenken kann, kann das Gaspedal stabilisieren. Das klingt für viele kontraintuitiv, denn der Instinkt in einer heiklen Situation schreit: „Fuß vom Gas!“. Doch in bestimmten Szenarien ist ein kurzer, dosierter Gasstoß genau das richtige Mittel, um ein unruhiges Fahrzeug wieder auf Kurs zu bringen. Das Prinzip dahinter ist wieder die Lastwechseldynamik. Ein Gasstoß verlagert das Gewicht auf die Hinterachse. Dies hat je nach Fahrsituation und Antriebsart unterschiedliche, aber oft positive Effekte.

Stell dir eine lange, schnelle Kurve oder eine unruhige Passage mit leichten Bodenwellen vor. Das Heck wird leicht und nervös. Ein sanfter Gasstoß „setzt“ das Heck, indem er die hinteren Dämpfer komprimiert und die Reifen fester auf den Boden drückt. Das Auto fühlt sich sofort wieder stabiler an. Bei einem frontgetriebenen Auto, das in der Kurve untersteuert (über die Vorderräder schiebt), kann ein dosierter Gaseinsatz die Vorderräder „ziehen“ und das Auto wieder auf die gewünschte Linie bringen. Man muss hierbei allerdings sehr gefühlvoll vorgehen. Zu abruptes Gasgeben in der Kurve, besonders bei leistungsstarken Hecktrieblern, führt unweigerlich zum sogenannten Power Oversteer – das Heck bricht schlagartig aus und du drehst dich.

Die Kunst besteht darin, das Gas nicht als simplen An/Aus-Schalter zu sehen, sondern als ein feinfühliges Instrument zur Gewichtsverlagerung. Ein plötzliches Lupfen des Gaspedals mitten in der Kurve (Lastwechselreaktion) kann ein Hecktriebler-Heck ebenso zum Ausbrechen bringen wie ein zu starker Tritt aufs Pedal. Ein konstantes, sanftes Gas hält die Fuhre hingegen stabil. Wie Experten im Kontext von Rennsimulationen erklären, ist die psychologische Überwindung, in einer kritischen Situation auf dem Gas zu bleiben oder es sogar leicht zu erhöhen, eine der größten Hürden für ambitionierte Fahrer. Man muss lernen, dem Auto und der Physik zu vertrauen.

Wie verhindern Sie, dass tiefe Spurrillen Ihnen das Lenkrad aus der Hand schlagen?

Jeder, der schon einmal auf einem schlechten Feldweg oder einer ausgefahrenen Schotterpiste unterwegs war, kennt dieses Gefühl: Das Rad taucht in eine Spurrille ein und das Lenkrad wird einem fast aus der Hand gerissen. Diese plötzlichen, heftigen Lenkkräfte sind nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Im schlimmsten Fall kann es zu Daumenverletzungen oder sogar zum kompletten Verlust der Kontrolle führen. Der Schlüssel zur Vermeidung dieses Problems liegt in einer simplen, aber entscheidenden Anpassung der Lenkradhaltung: dem „Rallye-Griff“.

Vergiss die „Zehn-vor-zwei“-Haltung mit fest umklammerten Daumen. Auf unebenem Terrain positionierst du deine Hände in der „Viertel-vor-drei“-Position, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Die Daumen liegen außen auf dem Lenkradkranz auf und umgreifen ihn nicht. Sie ruhen locker auf den Speichen oder dem Kranz selbst. Warum? Wenn ein Rad in eine Spurrille gerät oder gegen einen Stein schlägt, rotiert das Lenkrad blitzartig. Ist dein Daumen innen, wirkt die Lenkradspeiche wie ein Hebel und kann den Daumen brechen oder verstauchen. Liegt der Daumen außen, kann die Speiche einfach unter ihm durchrotieren. Du lässt das Lenkrad quasi kurz „arbeiten“, ohne dass es dir die Kontrolle entreißt.

Diese Haltung zwingt dich außerdem dazu, das Lenkrad fester mit den Handflächen und den restlichen Fingern zu führen. Du steuerst bewusster und bist besser auf plötzliche Schläge vorbereitet. Es mag sich anfangs ungewohnt anfühlen, aber es ist eine überlebenswichtige Gewohnheit für jeden, der regelmäßig abseits befestigter Straßen fährt. In Rallye-Schulen und bei Fahrtrainings, wie sie beispielsweise vom ADAC angeboten werden, ist dies eine der ersten Lektionen für das Fahren auf Schotter. Die richtige Handhaltung ist die Basis für alles Weitere. Folgende Punkte sind dabei entscheidend:

  • Daumen außen: Positioniere deine Daumen immer auf dem Lenkradkranz, niemals innen umklammernd.
  • Fester Griff: Halte das Lenkrad mit den Handflächen und den Fingern, nicht nur mit den Fingerspitzen.
  • Entspannte Arme: Halte die Arme leicht angewinkelt und entspannt, um Schläge abfedern zu können, anstatt sie starr weiterzuleiten.
  • Vorausschauend fahren: Scanne die Piste weit voraus, um tiefe Spurrillen frühzeitig zu erkennen und möglichst mittig darüber zu fahren.

Stollenreifen im Matsch: Warum Allradantrieb ohne das richtige Profil nutzlos ist?

Ein moderner Allradantrieb ist ein Wunderwerk der Technik. Er kann die Kraft in Millisekunden zwischen den Achsen und sogar einzelnen Rädern verteilen, um maximalen Vortrieb zu gewährleisten. Doch all diese Hightech ist vollkommen wertlos, wenn die Verbindung zum Boden nicht stimmt. Auf losem Untergrund wie Matsch oder tiefem Schotter ist der Reifen nicht nur ein Bauteil – er ist das wichtigste Bauteil des gesamten Fahrzeugs. Ein Allradler auf Sommerreifen wird im Schlamm kläglich scheitern, während ein einfacher Hecktriebler mit grobstolligen Rallye-Reifen noch souverän vorankommt.

Der Grund liegt in der Funktionsweise der Profile. Ein Straßenreifen ist für die Verdrängung von Wasser auf Asphalt und maximalen Kontakt auf trockener Fahrbahn optimiert. Sein Profil ist fein und geschlossen. Im Matsch setzt sich dieses Profil sofort zu und der Reifen wird zu einem profillosen „Slick“. Er kann keine Kräfte mehr übertragen. Ein Stollenreifen hingegen funktioniert wie eine Schaufel. Seine hohen, weit auseinander liegenden Profilblöcke graben sich in den losen Untergrund, verzahnen sich damit und werfen den Schmutz durch die Rotation wieder aus (Selbstreinigung). Nur so kann überhaupt Vortrieb oder Seitenführung aufgebaut werden. Der Allradantrieb kann die Kraft nur dann sinnvoll verteilen, wenn die Reifen diese Kraft auch auf den Boden bringen können.

Die Wahl des richtigen Reifens ist eine Wissenschaft für sich, wie Experten im Rallyesport bestätigen: Der Unterschied zwischen Fahren auf Asphalt und Schotter ist fundamental. Selbst innerhalb der Schotterreifen gibt es massive Unterschiede für harte, trockene Pisten oder weichen, nassen Untergrund. Ein gutes Beispiel aus der deutschen Rallye-Szene zeigt dies: Rainer Keck gewann 2008 die anspruchsvolle Siegerland-Westerwald Schotterrallye auf Vredestein Quatrac 3 Ganzjahresreifen – allerdings in einer speziellen Version mit verstärkten Flanken (XL-Kennzeichnung), die den scharfkantigen Steinen widerstehen konnten. Es zeigt, dass nicht nur das Profil, sondern auch die Robustheit der Karkasse entscheidend ist.

Schotterreifen vs. andere Reifentypen (Erfahrungswerte)
Reifentyp Asphalt (trocken/nass) Schotter grob Rasengitter feucht
Fedima Schotterreifen (grob) Fährt sich schwammig, „wie ein Gummistiefel“ Sehr guter Grip, funktioniert wie vorgesehen Kaum Grip, „einfach nur Mist bei Feuchtigkeit“
Vredestein Quatrac (mit XL-Flanke) Guter Allrounder, aber nicht für die Rennstrecke Funktioniert einwandfrei, robust genug Deutlich bessere Performance als der reine Schotterreifen

Wattiefe beachten: Wie vermeiden Sie einen Motorschaden durch Wasserschlag?

Das Fahren abseits der Straße bringt dich unweigerlich in Situationen, in denen du Wasser durchqueren musst – sei es eine tiefe Pfütze nach einem Unwetter oder ein kleiner Bach. Was nach einem harmlosen Abenteuer aussieht, kann in Sekunden zu einem kapitalen Motorschaden führen. Das Stichwort lautet Wasserschlag. Motoren sind darauf ausgelegt, ein Luft-Kraftstoff-Gemisch zu verdichten. Wenn anstelle von Luft Wasser durch den Lufteinlass in die Zylinder gesaugt wird, passiert das Fatale: Wasser lässt sich, anders als Luft, nicht komprimieren. Der Kolben versucht mit brachialer Gewalt nach oben zu schnellen, trifft auf den unnachgiebigen Widerstand des Wassers und das Ergebnis ist meist ein verbogenes Pleuel, ein gerissener Motorblock oder ein zerstörter Zylinderkopf – ein wirtschaftlicher Totalschaden.

Die wichtigste Regel lautet daher: Kenne dein Fahrzeug! Du musst wissen, wo sich der Lufteinlass deines Motors befindet. Oft ist er tief unten im vorderen Stoßfänger oder im Radhaus versteckt, um kühle Luft anzusaugen. Die maximale Wattiefe deines Fahrzeugs ist die Höhe dieses Einlasses, abzüglich einer großzügigen Sicherheitsmarge. Verlasse dich niemals auf die Herstellerangaben von SUVs, wenn du kein speziell ausgerüstetes Offroad-Fahrzeug mit einem hochgelegten Ansaugstutzen (Schnorchel) fährst.

Wenn du eine Wasserdurchfahrt nicht vermeiden kannst, nutze die „Bugwellen-Technik“. Fahre langsam und mit konstanter Geschwindigkeit (ca. 5-10 km/h) in das Wasser. Dadurch baust du eine Welle vor deinem Auto auf. Diese Bugwelle drückt das Wasser zur Seite und senkt den Wasserstand direkt vor und neben deinem Motorraum temporär ab. Bleibst du stehen oder fährst zu schnell, schwappt das Wasser über die Motorhaube oder zurück in den Motorraum. Nach der Durchfahrt solltest du die Bremsen durch mehrmaliges, leichtes Antippen wieder trocknen, um die volle Bremswirkung wiederherzustellen. Eine sichere Wasserdurchfahrt ist eine Frage der Vorbereitung und der richtigen, ruhigen Technik.

  • Vor der Durchfahrt: Position des Luftansaugtrakts am eigenen Fahrzeug lokalisieren. Im Zweifel lieber einen Umweg in Kauf nehmen.
  • Maximale Wattiefe bestimmen: Dies ist die Höhe des Lufteinlasses minus ca. 10 cm Sicherheitsmarge.
  • Bugwellen-Technik anwenden: Mit konstant langsamer Geschwindigkeit (Schritttempo) eine Bugwelle vor dem Fahrzeug herschieben.
  • Motor nicht abstellen: Im Wasser niemals den Motor ausschalten, da sonst Wasser über den Auspuff eindringen kann.
  • Nach der Durchfahrt: Bremsen durch leichtes Betätigen trocknen und auf volle Funktion prüfen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Wahre Kontrolle bedeutet, Instabilität (Drift) aktiv zu nutzen, nicht passiv zu vermeiden.
  • Bremse und Gas sind Lenkwerkzeuge zur Steuerung der Fahrzeugbalance durch gezielte Lastwechsel.
  • Die richtige Ausrüstung – von der Reifenwahl bis zur Lenkradhaltung – ist die unverzichtbare Basis für jede Fahrtechnik.

Heckantrieb im Winter: Ist er mit modernen Systemen wirklich noch gefährlicher?

Der Ruf des Heckantriebs im Winter ist legendär schlecht: tanzende Hecks, durchdrehende Räder am kleinsten Anstieg und ein ständiges Gefühl der Unsicherheit. Viele dieser Horrorgeschichten stammen aus einer Zeit vor elektronischen Stabilitätsprogrammen (ESP), Traktionskontrollen (TC) und modernen Winterreifen. Heute ist die Frage, ob ein Heckantrieb im Winter wirklich noch gefährlicher ist, differenzierter zu betrachten. Die kurze Antwort lautet: Mit der richtigen Ausrüstung und einem verständigen Fahrer ist er nicht gefährlicher, aber er erfordert mehr Aufmerksamkeit und Können.

Moderne Systeme wie ESP sind unglaublich effektiv darin, ein ausbrechendes Heck durch gezielte Bremseingriffe an einzelnen Rädern wieder einzufangen, oft bevor der Fahrer überhaupt bemerkt, dass er die Kontrolle verloren hat. Eine gute Traktionskontrolle verhindert das sinnlose Durchdrehen des angetriebenen Radpaares. Das Grundproblem der Physik bleibt jedoch bestehen: Die Räder, die lenken (vorne), sind nicht die, die antreiben (hinten). Diese Trennung kann bei Glätte zu einem abrupteren Übergang vom Griff zum Rutschen führen als bei einem Fronttriebler, der sich tendenziell eher stabilisierend über die Vorderräder aus der Kurve zieht (Untersteuern).

BMW Heckantrieb mit ESP auf verschneiter Straße in kontrollierter Fahrt

Hier schließt sich der Kreis zu den fortgeschrittenen Fahrtechniken: Wer die Prinzipien von Lastwechsel und kontrolliertem Übersteuern versteht, findet im Heckantrieb im Winter einen berechenbaren Partner. Ein leichter Gasstoß kann das Heck stabilisieren, ein sanftes Gegenlenken wird zur zweiten Natur. Der Fahrer agiert mit dem Auto, anstatt von ihm überrascht zu werden. Die elektronischen Helfer werden so zu einem Sicherheitsnetz für den Notfall und nicht zur permanenten Stütze. Wie die stets gut besuchten ADAC Fahrsicherheitstrainings in ganz Deutschland zeigen, ist der Wunsch nach echter Fahrzeugbeherrschung ungebrochen. Gerade für Fahrer von heckgetriebenen Fahrzeugen ist ein solches Training im Winter Gold wert, um die Theorie in sicherer Praxis zu erleben.

Die Fähigkeit, ein Fahrzeug an der Grenze zu kontrollieren, ist keine Magie, sondern erlerntes Handwerk. Um diese Techniken sicher zu verinnerlichen, ist der nächste logische Schritt, sie unter professioneller Anleitung zu trainieren. Informiere dich über Fahrsicherheits- und Drift-Trainings auf abgesperrten Strecken in deiner Nähe.

Geschrieben von Michael Dr. Bauer, öffentlich bestellter und vereidigter Kfz-Sachverständiger für Unfallanalytik und Fahrzeugtechnik. Spezialisiert auf StVZO-Konformität, Tuning-Abnahmen und Versicherungsrecht.