
Ihr vernetztes Auto ist eine mobile Abhörwanze, deren Geschäftsmodell auf Ihrem Kontrollverlust basiert, und die DSGVO ist dabei oft nur ein juristisches Feigenblatt.
- Hersteller sammeln systematisch Daten ohne wirksame Zustimmung und geben Ihnen kaum Kontrolle über diesen Datenfluss.
- Digitale Schwachstellen wie Keyless-Go und Over-the-Air-Updates werden zu realen Sicherheits- und Haftungsrisiken für Sie als Halter.
Empfehlung: Akzeptieren Sie den Status quo nicht. Informieren Sie sich über Ihre spezifischen Rechte nach deutschem Recht (BGB, Arbeitsrecht) und setzen Sie diese aktiv gegenüber Herstellern, Versicherungen und Arbeitgebern durch.
Wenn Sie in Ihr modernes Auto steigen, setzen Sie sich nicht mehr nur in ein Fortbewegungsmittel. Sie aktivieren eine der raffiniertesten Datensammelmaschinen, die Sie besitzen. Jede Fahrt, jede Beschleunigung, jeder Bremsvorgang, Ihr Standort und sogar Ihre im Infotainment-System gespeicherten Kontakte werden erfasst, analysiert und oft ohne Ihr volles Bewusstsein an die Server der Hersteller gesendet. Dieses Phänomen ist keine Randnotiz der Digitalisierung, sondern der Kern eines neuen Geschäftsmodells: die systematische Daten-Enteignung des Fahrers.
Die gängige Antwort auf Datenschutzbedenken lautet oft, man sei durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geschützt. Man müsse eben den ellenlangen Nutzungsbedingungen zustimmen. Doch was, wenn dieser Schutzmechanismus in der Praxis versagt? Was, wenn das Versprechen von Komfort und Sicherheit nur der Vorwand ist, um eine permanente digitale Leine zwischen Ihnen und dem Konzern zu etablieren? Dieser Artikel blickt hinter die Marketing-Fassaden und die juristischen Nebelkerzen. Er deckt auf, wie tief der Daten-Sumpf wirklich ist und welche konkreten Werkzeuge Ihnen das deutsche Recht an die Hand gibt, um die Kontrolle zurückzuerobern.
Wir werden die rechtlichen Grauzonen bei der Datenübertragung, die falschen Versprechen von Telematik-Tarifen und die Haftungsfragen bei missglückten Software-Updates beleuchten. Zudem klären wir, welche Grenzen für die Überwachung von Dienstwagen gelten und was der „digitale Zwilling“ Ihres Fahrzeugs wirklich bedeutet. Es ist Zeit, den Mythos vom mündigen Nutzer zu hinterfragen und die Realität des gläsernen Fahrers anzuerkennen, um effektiv dagegen vorzugehen.
Um diese komplexe Thematik strukturiert zu durchdringen, führt dieser Artikel Sie durch die acht kritischsten Aspekte der Datennutzung in modernen Fahrzeugen. Jeder Abschnitt beleuchtet eine spezifische Facette des Problems und zeigt Ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten auf.
Inhaltsverzeichnis: Der Datenkrake Auto und Ihre Rechte
- Darf Ihr Auto ohne Zustimmung Daten an den Hersteller in die Cloud senden?
- Telematik-Tarife: Sparen Sie wirklich oder zahlen Sie mit Ihrer Privatsphäre?
- Keyless-Go Diebstahl: Wie schützen Sie Ihr vernetztes Auto vor dem digitalen Einbruch?
- Wenn das Update scheitert: Wer zahlt, wenn das Auto nach dem Download nicht mehr startet?
- Darf der Chef wissen, wo der Dienstwagen am Wochenende parkt?
- Wer hat Zugriff auf Ihre Bewegungsdaten, wenn die Spedition gehackt wird?
- Was ist ein digitaler Zwilling im Fuhrpark eigentlich genau (ohne Marketing-Sprech)?
- Darf Ihr Chef per Telematik überwachen, wie schnell Sie mit dem Dienstwagen fahren?
Darf Ihr Auto ohne Zustimmung Daten an den Hersteller in die Cloud senden?
Die klare Antwort lautet: Nein, zumindest nicht ohne eine gültige Rechtsgrundlage wie Ihre Einwilligung. Die Realität sieht jedoch düster aus. Die Zustimmung wird oft im Kleingedruckten versteckt oder als unumgängliche Bedingung für die Nutzung wesentlicher Fahrzeugfunktionen dargestellt. Sie klicken auf „Akzeptieren“, um das Navigationssystem zu nutzen, und geben damit unwissentlich die Erlaubnis zur Übertragung eines umfassenden Datenstroms. Dieser Mechanismus macht die informierte Einwilligung zu einer Farce und etabliert den Kontrollverlust als Geschäftsmodell.
Das Ausmaß dieses Problems ist erschreckend. Die Hersteller haben ein System geschaffen, in dem die Verweigerung der Datensammlung oft mit dem Verlust grundlegender Funktionalitäten einhergeht. Eine Untersuchung der Mozilla Foundation hat die Praktiken der Branche schonungslos offengelegt. Das Ergebnis ist ein Totalversagen: Eine Studie bestätigt, dass 0 von 25 großen Autoherstellern die grundlegenden Datenschutzkriterien erfüllen. Dies beweist, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Problem der gesamten Industrie handelt.
Auch wenn neue Gesetze wie der EU Data Act ab 2025 mehr Transparenz und Datenportabilität versprechen, bleibt die Grundproblematik bestehen: Die Macht liegt bei den Herstellern. Bis diese Gesetze greifen und ihre Wirkung entfalten, sind Sie auf die bestehenden, oft lückenhaften Regelungen angewiesen. Es ist daher entscheidend, genau zu verstehen, welche Datenflüsse notwendig sind und welche reiner kommerzieller Ausbeutung dienen.
Telematik-Tarife: Sparen Sie wirklich oder zahlen Sie mit Ihrer Privatsphäre?
Versicherungen locken mit sogenannten Telematik-Tarifen: Fahren Sie „gut“, also vorausschauend und regelkonform, erhalten Sie Rabatte auf Ihre Prämie. Was als faires „Pay-as-you-drive“-Modell vermarktet wird, ist in Wahrheit ein trojanisches Pferd für die permanente Überwachung Ihres Fahrverhaltens. Die Blackbox oder App misst nicht nur Geschwindigkeit und Bremsmanöver, sondern erstellt ein detailliertes Bewegungsprofil. Der Preis für eine mögliche Ersparnis ist die Aufgabe Ihrer Anonymität am Steuer.
Offizielle Stellen beschreiben dies oft in einem positiven Licht. So argumentiert die Verbraucherschutzministerkonferenz in einem Abschlussbericht:
Telematiktarife würden im Ergebnis zu einer gerechteren, risikobasierten Prämiendifferenzierung führen, die nichts mit einer Entsolidarisierung des Versichertenkollektivs zu tun habe.
– Verbraucherschutzministerkonferenz, Abschlussbericht der Projektgruppe Telematiktarife
Diese „risikobasierte“ Logik ist jedoch gefährlich. Sie bestraft Individualität und schafft einen Anreiz zur Selbstzensur. Wer nachts fährt, weil er im Schichtdienst arbeitet, oder wer auf kurvigen Landstraßen unterwegs ist, wird potenziell als „Risikofahrer“ eingestuft. Das Solidarprinzip der Versicherung wird so untergraben und durch ein System der permanenten Bewertung ersetzt. Zwar gibt es klare datenschutzrechtliche Anforderungen, doch deren Einhaltung in der Praxis ist für den Nutzer kaum nachprüfbar.
Die folgende Tabelle fasst die theoretischen Anforderungen an Telematik-Anbieter zusammen, die jedoch in der Praxis oft nur ein juristisches Feigenblatt darstellen.
| Anforderung | Beschreibung |
|---|---|
| Transparenz | Umfang und Art der erhobenen Daten müssen offengelegt werden |
| Zweckbindung | Daten dürfen nur zur Tarifberechnung verwendet werden |
| Datenminimierung | Nur für den Zweck notwendige Daten dürfen erhoben werden |
| Datenschutzbeauftragter | Muss für Fragen zur Verfügung stehen |
Keyless-Go Diebstahl: Wie schützen Sie Ihr vernetztes Auto vor dem digitalen Einbruch?
Die digitale Vernetzung Ihres Autos schafft nicht nur Datenschutzrisiken, sondern auch ganz reale, physische Gefahren. Das beste Beispiel sind schlüssellose Zugangssysteme, auch „Keyless-Go“ genannt. Sie sind bequem, aber oft katastrophal unsicher. Diebe nutzen sogenannte Relay-Attacken, bei denen das Signal Ihres Schlüssels mit einfachen Geräten verlängert wird, um dem Auto vorzugaukeln, der Schlüssel sei in der Nähe. Das Fahrzeug lässt sich öffnen und starten – oft in weniger als einer Minute und ohne Einbruchsspuren.
Die Hersteller sind sich dieser Schwachstelle seit Jahren bewusst, doch die Umsetzung sicherer Technologien erfolgt nur schleppend. Es ist ein Skandal, dass millionenfach Fahrzeuge verkauft werden, deren grundlegende Sicherheitsarchitektur mangelhaft ist. Aktuelle Tests des ADAC zeichnen ein düsteres Bild und zeigen, dass weniger als 10 % der Keyless-Go-Systeme wirklich gegen Relay-Attacken geschützt sind. Die meisten Fahrzeuge sind weiterhin leichte Beute für Kriminelle.

Da Sie sich auf die Hersteller nicht verlassen können, müssen Sie selbst aktiv werden. Nur wenige neuere Modelle nutzen die sicherere Ultra-Wide-Band-Technologie (UWB), die die Signallaufzeit misst und solche Angriffe verhindert. Für alle anderen gilt: Ergreifen Sie physische und digitale Schutzmaßnahmen, um Dieben das Handwerk zu legen.
Ihr Aktionsplan zum Schutz vor Relay-Attacken
- Abschirmung verwenden: Nutzen Sie spezielle RFID-Schutzhüllen oder Metallboxen, um das Funksignal des Schlüssels zu blockieren, wenn Sie ihn nicht benutzen. Ein einfacher Kochtopf aus Metall kann als Notlösung dienen.
- Sichere Technologie prüfen: Informieren Sie sich, ob Ihr Fahrzeug bereits die UWB-Technologie nutzt. Dies ist beispielsweise bei einigen neueren Modellen von VW, Audi oder BMW der Fall.
- Optische Bestätigung beachten: Achten Sie beim Verriegeln des Fahrzeugs immer auf das visuelle Signal (z.B. Blinken der Warnblinkanlage). Verlassen Sie sich nicht nur auf das Geräusch.
- Schlüssel deaktivieren: Prüfen Sie in der Bedienungsanleitung, ob die Keyless-Funktion Ihres Schlüssels temporär deaktiviert werden kann, zum Beispiel durch einen doppelten Klick auf die Schließtaste.
- Mechanische Sicherungen nachrüsten: Eine altmodische, aber wirksame Lenkradkralle oder eine Parkkralle kann Diebe abschrecken, selbst wenn sie die Elektronik überwinden.
Wenn das Update scheitert: Wer zahlt, wenn das Auto nach dem Download nicht mehr startet?
Over-the-Air (OTA) Updates sind ein zentrales Merkmal des „Connected Car“. Sie versprechen neue Funktionen und Sicherheitsverbesserungen, bequem über Nacht aufgespielt. Doch was passiert, wenn ein solches Update fehlschlägt und Ihr Auto am nächsten Morgen nicht mehr anspringt oder wesentliche Funktionen wie das Infotainment-System ausfallen? Die Frage der Haftung ist hier von entscheidender Bedeutung und für Verbraucher in Deutschland glücklicherweise klar geregelt.
Ein fehlgeschlagenes Update, das die Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs beeinträchtigt, ist keine höhere Gewalt. Aus rechtlicher Sicht liegt hier ein klarer Mangel vor. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist hier auf Ihrer Seite. Wie es im Gesetzestext heißt, stellt ein solches Ereignis einen klaren „Sachmangel“ dar. Konkret heißt es dazu im Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch:
Ein gescheitertes Over-the-Air (OTA) Update, das das Fahrzeug unbrauchbar macht, stellt einen klaren ‚Sachmangel‘ gemäß § 434 BGB dar.
– Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch, § 434 BGB – Sachmangel
Das bedeutet, der Verkäufer (also in der Regel das Autohaus) steht in der gesetzlichen Gewährleistungspflicht. Er muss den Mangel beheben, also das Fahrzeug wieder in einen funktionsfähigen Zustand versetzen. Besonders vorteilhaft für Sie ist die Beweislastumkehr nach § 477 BGB: Tritt der Mangel innerhalb der ersten 12 Monate nach dem Kauf auf, wird angenommen, dass er bereits bei der Übergabe vorlag. Der Verkäufer müsste das Gegenteil beweisen, was bei Software-Fehlern praktisch unmöglich ist. Lassen Sie sich also nicht vom Hersteller an eine Hotline verweisen – Ihr erster Ansprechpartner ist der Händler.
Darf der Chef wissen, wo der Dienstwagen am Wochenende parkt?
Die GPS-Überwachung von Dienstwagen ist ein heikles Thema, bei dem die Interessen des Arbeitgebers (Diebstahlschutz, Flottenmanagement) und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aufeinanderprallen. Die private Nutzung eines Dienstwagens ist oft vertraglich gestattet. Doch was bedeutet das für die Datensammlung außerhalb der Arbeitszeit, etwa am Wochenende oder im Urlaub?
Die Rechtslage in Deutschland ist hier eindeutig: Eine permanente Überwachung ist unzulässig. Nach deutschem Arbeitsrecht ist eine permanente Überwachung, die Bewegungsprofile ermöglicht, verboten. Das bedeutet, Ihr Arbeitgeber darf nicht nachvollziehen, wo Sie am Samstagabend parken oder welche Freunde Sie am Sonntag besuchen. Die Ortung des Fahrzeugs muss auf die Arbeitszeit beschränkt sein. Eine Erfassung von Standortdaten während der rechtmäßigen Privatnutzung stellt einen unzulässigen Eingriff in Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.

Allerdings gibt es rechtliche Grauzonen, die Arbeitgeber ausnutzen könnten. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt sein können, wenn schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers überwiegen. In einer Entscheidung heißt es:
Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein.
– Bundesarbeitsgericht, BAG-Entscheidung vom 16.12.2010, 2 AZR 485/08
Dies könnte beispielsweise bei Verdacht auf eine Straftat relevant werden. Für die alltägliche Nutzung gilt jedoch: Eine anlasslose Totalüberwachung ist tabu. Prüfen Sie Ihre Betriebsvereinbarung und den Arbeitsvertrag genau. Im Zweifelsfall haben Sie das Recht, die Abschaltung der GPS-Ortung während der Privatnutzung zu verlangen.
Wer hat Zugriff auf Ihre Bewegungsdaten, wenn die Spedition gehackt wird?
Sie haben Ihre Daten dem Fahrzeughersteller, der Versicherung oder Ihrem Arbeitgeber anvertraut – aber sind sie dort sicher? Die Realität ist, dass jede zentrale Datensammlung ein attraktives Ziel für Cyberkriminelle ist. Die Folgen eines Hacks können verheerend sein, denn es geht nicht nur um technische Daten, sondern um intime Details Ihres Lebens: Wo Sie leben, arbeiten, einkaufen und wann Ihr Haus vermutlich leer steht.
Die DSGVO verpflichtet Unternehmen zwar zu umfangreichen Schutzmaßnahmen, doch die Praxis zeigt immer wieder, dass selbst große Konzerne verwundbar sind. Der immense Aufwand für die Einhaltung der Vorschriften ist keine Garantie für Sicherheit. So zeigt eine Studie, dass für 84 % der Unternehmen der Aufwand durch die DSGVO dauerhaft gestiegen ist, doch Sicherheitslücken bleiben. Ein prominentes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit verdeutlicht die Gefahr:
Fallbeispiel: Das Datenleck bei BYD (2024)
Eine simple Fehlkonfiguration in der Cloud-Infrastruktur des chinesischen Herstellers BYD führte zur Offenlegung sensibler Daten. Betroffen waren die Fahrzeugstandorte und Profilinformationen von rund 1,3 Millionen Nutzern. Dieser Vorfall zeigt exemplarisch, wie schnell technische Pannen zu massiven Datenschutzverletzungen führen können, deren Folgen für die Betroffenen kaum absehbar sind.
Dieses Risiko potenziert sich entlang der gesamten Lieferkette. Ihre Daten liegen nicht nur beim Autohersteller, sondern auch bei unzähligen Zulieferern, Cloud-Anbietern und Dienstleistern (wie Speditionen im Flottenmanagement). Ein einziges schwaches Glied in dieser Kette genügt, um Ihre Daten in die falschen Hände geraten zu lassen. Die Vorstellung, dass Ihre Bewegungsdaten auf einem Marktplatz im Darknet gehandelt werden, ist keine Science-Fiction, sondern eine reale Bedrohung.
Was ist ein digitaler Zwilling im Fuhrpark eigentlich genau (ohne Marketing-Sprech)?
In der Welt des Fuhrparkmanagements und der Automobilindustrie geistert ein Begriff umher: der „digitale Zwilling“. Das Marketing beschreibt ihn als revolutionäres Werkzeug für vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) und Effizienzsteigerung. Es wird eine „Win-win-Situation“ für alle Beteiligten versprochen. Doch entledigt man den Begriff seines Marketing-Sprechs, offenbart sich ein weitaus kritischeres Bild.
Ein digitaler Zwilling ist nichts anderes als ein umfassendes, virtuelles Abbild Ihres Fahrzeugs, das in Echtzeit mit realen Daten gefüttert wird. Es ist die ultimative Stufe der Datensammlung. Er enthält nicht nur statische Informationen wie Modell und Ausstattung, sondern auch dynamische Daten: jeden Kilometerstand, jeden Ladezyklus der Batterie, jeden Fehlercode, jede abrupte Bremsung und die gesamte Historie des Fahrverhaltens. Im Grunde ist es ein lückenloses Protokoll über das Leben Ihres Autos – und damit auch über Teile Ihres Lebens.
Während die Industrie die Vorteile für die Wartung hervorhebt, wird der wahre Wert für die Konzerne oft verschwiegen: Dieser Zwilling ermöglicht eine vollständige Kontrolle und Bewertung von Fahrzeug und Fahrer. Er ist die Grundlage für den Gebrauchtwagenwert der Zukunft, für personalisierte (und potenziell diskriminierende) Versicherungsangebote und für die Verweigerung von Garantieleistungen, wenn die Daten auf eine „unsachgemäße Nutzung“ hindeuten. Sie werden zum gläsernen Fahrer, dessen Verhalten permanent analysiert und monetarisiert wird.
Besonders kritisch wird es beim Verkauf des Fahrzeugs. Werden diese Daten nicht gelöscht, erhält der nächste Besitzer potenziell Einblick in Ihre Fahrgewohnheiten. Es ist daher unerlässlich, vor dem Verkauf auf eine vollständige Datenlöschung zu bestehen. Kontaktieren Sie den Hersteller schriftlich und verlangen Sie die Löschung aller persönlichen Daten gemäß Art. 17 DSGVO. Setzen Sie zudem alle Systeme (Infotainment, Navigation) auf die Werkseinstellungen zurück und entfernen Sie alle persönlichen Konten und gekoppelten Geräte.
Das Wichtigste in Kürze
- Ihre Zustimmung ist oft eine Illusion: Die Einwilligung zur Datenerhebung wird meist durch unfaire Kopplung an Basisfunktionen erzwungen, was dem Geist der DSGVO widerspricht.
- Digitale Risiken sind real: Unsichere Keyless-Systeme und fehlerhafte Software-Updates stellen konkrete Sicherheits- und Haftungsrisiken dar, deren Last oft beim Halter abgeladen wird.
- Deutsches Recht schützt Sie (wenn Sie es nutzen): Spezifische Gesetze (BGB bei Mängeln) und Gerichtsurteile (zum Arbeitsrecht) geben Ihnen wirksame Hebel an die Hand, die Sie jedoch aktiv einfordern müssen.
Darf Ihr Chef per Telematik überwachen, wie schnell Sie mit dem Dienstwagen fahren?
Nachdem wir geklärt haben, dass der Standort Ihres Dienstwagens am Wochenende für den Chef tabu ist, stellt sich eine weitere, subtilere Frage: Darf er über Telematik-Systeme Ihre Fahrweise kontrollieren, insbesondere Ihre Geschwindigkeit? Viele Flottenmanagement-Systeme bieten genau diese Funktion an – zur „Förderung einer sicheren Fahrweise“ und zur „Reduzierung von Verschleiß“. Doch auch hier setzt das deutsche Recht klare Grenzen.
Die deutschen Datenschutzbehörden sind sich einig: Eine lückenlose Überwachung der Fahrweise ist unzulässig. Die permanente Erfassung von Geschwindigkeit, exakten Routen und Standzeiten zur Erstellung von Leistungs- oder Verhaltensprofilen eines Mitarbeiters ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht. In einer rechtlichen Einschätzung wird klargestellt:
Unzulässig ist eine dauerhafte Überwachung, durch die Bewegungsprofile erstellt werden können. Die exakten Fahrtrouten, ggf. genommene Umwege, Standzeiten und Geschwindigkeit, dürfen nicht ermittelt und gespeichert werden.
– Deutsche Datenschutzbehörden, Rechtstipp zum GPS-Tracking von Mitarbeitern
Zulässig kann eine solche Erfassung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sein, etwa zur Aufklärung einer Straftat oder bei einem konkreten, dokumentierten Verdacht auf schweren Missbrauch. Eine anlasslose, pauschale Geschwindigkeitskontrolle aller Mitarbeiter ist damit ausgeschlossen. Auch die Speicherdauer solcher Daten ist streng reglementiert. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg unterstreicht dies, indem es entschied, dass eine 150 Tage andauernde GPS-Datenspeicherung unzulässig sei und einen schweren Eingriff darstellt.
Wenn Ihr Arbeitgeber also ein Telematik-System einführt, muss der Betriebsrat (sofern vorhanden) zustimmen, und der Zweck muss klar definiert und begrenzt sein. Eine reine Verhaltenskontrolle ist nicht erlaubt. Sie haben das Recht zu erfahren, welche Daten genau erfasst und zu welchem Zweck sie verwendet werden. Bestehen Sie auf Transparenz.
Lassen Sie sich nicht zum gläsernen Fahrer machen. Prüfen Sie Ihre Verträge, hinterfragen Sie die Datenerfassung kritisch und nutzen Sie Ihre Rechte. Werden Sie jetzt aktiv und fordern Sie die Kontrolle über Ihre digitalen Spuren zurück.
Häufig gestellte Fragen zu Datenschutz im Auto
Was ist die Beweislastumkehr nach § 477 BGB?
Die Beweislastumkehr bedeutet, dass bei einem Mangel, der innerhalb der ersten 12 Monate nach dem Fahrzeugkauf auftritt, gesetzlich vermutet wird, dass dieser bereits bei der Übergabe vorhanden war. Der Verkäufer muss das Gegenteil beweisen, was insbesondere bei Softwarefehlern sehr schwierig ist. Dies stärkt Ihre Position als Käufer erheblich.
Gilt die Gewährleistung auch bei ’schleichenden Fehlern‘ durch Updates?
Ja. Die gesetzliche Gewährleistung deckt nicht nur Totalausfälle ab, sondern auch neue Probleme, die nach einem Software-Update auftreten. Dazu gehören beispielsweise ein plötzlich erhöhter Batterieverbrauch, eine fehlerhafte Sensorik oder ein instabiles Infotainment-System. Auch dies sind Sachmängel, die der Verkäufer beheben muss.
Muss ich alle Software-Updates des Herstellers akzeptieren?
Nein, nicht uneingeschränkt. Updates, die nachweislich zur Behebung von Sicherheitslücken oder zur Erfüllung gesetzlicher Vorschriften dienen, sind in der Regel verpflichtend. Komfort-Updates oder die Einführung neuer, datenhungriger Funktionen können Sie hingegen oft ablehnen, ohne dass die grundlegende Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs beeinträchtigt werden darf.