Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Der Schlüssel zu schnelleren Rundenzeiten liegt nicht in mehr Daten, sondern darin, drei entscheidende Muster in Ihrer Telemetrie zu erkennen, die als Ihr persönlicher digitaler Fahrlehrer fungieren.

  • Der Kamm’sche Kreis deckt auf, ob Sie das volle Potenzial Ihrer Reifen beim Bremsen und Lenken ausschöpfen.
  • Die Form der Bremskurve zeigt, ob Sie aggressiv genug bremsen oder wertvolle Meter verschenken.
  • Die GPS-Datenanalyse beweist, welche Ideallinie Ihnen tatsächlich die höchste Geschwindigkeit am Kurvenausgang beschert.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich bei Ihrer nächsten Analyse nicht auf die reine Höchstgeschwindigkeit, sondern auf diese drei Muster. Sie verraten Ihnen mehr über Ihre Fahrtechnik als jeder andere Datenpunkt.

Jeder ambitionierte Hobby-Rennfahrer kennt das Gefühl: Nach einem Trackday sitzt man vor dem Laptop, die Daten von RaceLogic oder Garmin Catalyst sind geladen, und man starrt auf ein unübersichtliches Gewirr aus Linien und Graphen. Man weiß, dass sich irgendwo in diesem Datenmeer die entscheidenden Zehntelsekunden verstecken, aber wo anfangen? Die gängigen Ratschläge wie „Bremse später“ oder „Vergleiche deine Runde mit einer schnelleren“ sind zwar richtig, aber sie erklären nicht das „Wie“. Man sieht, *dass* man langsamer ist, aber nicht, *warum*.

Die Frustration ist verständlich. Man ist von den schieren Möglichkeiten der Datenerfassung erschlagen und neigt dazu, sich auf die einfachste Metrik zu konzentrieren: die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden. Doch hier liegt selten das größte Potenzial. Die wahre Magie der Telemetrie entfaltet sich, wenn man sie nicht als reines Messinstrument, sondern als einen unbestechlichen Fahr-Coach betrachtet. Dieser Coach spricht nicht in Zahlen, sondern in Mustern. Er zeigt Ihnen nicht nur, wo Sie Zeit verlieren, sondern auch, welche fahrerische Angewohnheit dahintersteckt.

Vergessen Sie also für einen Moment die 20 verschiedenen Kanäle, die Ihre Software anbietet. Der wahre Durchbruch liegt in der Konzentration auf wenige, aber entscheidende Datenmuster. Statt sich im Detail zu verlieren, geht es darum, die grundlegende Physik des Fahrens sichtbar zu machen. Dieser Artikel übersetzt das komplexe Datenkauderwelsch in eine klare Sprache. Er zeigt Ihnen die drei wichtigsten Telemetrie-Kanäle, die Sie analysieren müssen, um Ihre Fahrtechnik sofort zu verstehen und nachhaltig zu verbessern. Wir entschlüsseln die Muster, die Ihnen verraten, ob Sie das Potenzial Ihrer Reifen verschenken, wie effizient Sie wirklich bremsen und welche Linie Sie am schnellsten macht.

Dieser Leitfaden ist Ihr Übersetzer vom Datengraphen zur konkreten Handlung auf der Rennstrecke. Entdecken Sie, wie Sie Ihre Daten lesen, um nicht nur schneller, sondern vor allem ein klügerer Fahrer zu werden. Der folgende Überblick zeigt Ihnen die entscheidenden Analysepunkte, die wir im Detail beleuchten werden.

Warum der „Kamm’sche Kreis“ Ihnen zeigt, ob Sie das Reifenpotenzial verschenken?

Der Kamm’sche Kreis ist eines der grundlegendsten, aber oft missverstandenen Konzepte der Fahrdynamik. Stellen Sie sich vor, Ihr Reifen hat ein Gesamtbudget von 100% Grip. Sie können diese 100% entweder voll fürs Bremsen (Längskräfte) oder voll fürs Lenken (Querkräfte) ausgeben – oder für eine Kombination aus beidem. Der Kamm’sche Kreis in Ihrer Telemetrie-Software visualisiert genau das: Er zeigt als G-Kraft-Diagramm, wie nah Sie zu jedem Zeitpunkt an diesem 100%-Limit operieren. Fahren Sie nur geradeaus und lenken oder bremsen nicht, ist der Punkt in der Mitte. Bremsen Sie maximal, schlägt er nach unten aus. Lenken Sie maximal, wandert er zur Seite.

Ein perfekter Fahrer würde eine saubere, runde Linie am äußeren Rand dieses Kreises zeichnen. Die meisten Hobbyfahrer tun das nicht. Ihre Diagramme zeigen oft flache Stellen oder abrupte Sprünge. Ein typischer Fehler ist die „Angst-Lücke“: Sie gehen vor der Kurve komplett von der Bremse, lenken dann ein und geben erst am Scheitelpunkt wieder Gas. Im Diagramm entsteht eine ungenutzte Lücke nahe der Null-Achse. Das bedeutet, der Reifen hat in dieser Phase „freie Kapazitäten“, die Sie für schnelleres Fahren hätten nutzen können, zum Beispiel durch Trail Braking (in die Kurve hineinbremsen). Experten wie Markus Gedlich nutzen genau diese Analyse auf Strecken wie dem Nürburgring, um einen Gesamteindruck von der Fahrweise eines Piloten zu bekommen.

Die Daten zeigen unbestechlich, wo Sie zögern. So ist zum Beispiel bei 38 Grad Schräglage noch 79% der Längskraft (Bremsen/Beschleunigen) möglich, während bei 48 Grad nur noch 18% übrigbleiben. Das Wissen um diese Zusammenhänge, visualisiert durch den Kamm’schen Kreis, ist der erste Schritt, um das volle Potenzial Ihrer Reifen nicht länger zu verschenken.

Wie Sie durch die Analyse der Bremspedal-Kurve (Brake Shape) Ihren Bremsweg verkürzen?

Viele Fahrer konzentrieren sich ausschließlich auf den Bremspunkt. Die Telemetrie zeigt jedoch, dass die Form der Bremsdruckkurve (Brake Shape) oft wichtiger ist als der exakte Punkt, an dem Sie das Pedal treten. Eine ideale Bremskurve sieht aus wie ein Trapez: Sie bauen den maximalen Bremsdruck extrem schnell auf, halten dieses Plateau für einen Moment und lassen dann die Bremse ebenso gezielt und progressiv los, während Sie einlenken (Trail Braking). Viele Amateure erzeugen stattdessen eine Dreiecksform: Der Druck wird langsam aufgebaut und erreicht seinen Höhepunkt viel zu spät, oft erst in der Mitte der Bremszone. Das kostet wertvolle Meter.

Ihre Telemetrie-Software zeigt Ihnen den Verlauf des Bremsdrucks (oder der negativen G-Kräfte) über die Zeit. Vergleichen Sie Ihre Kurve mit der eines schnelleren Fahrers. Hat Ihre Kurve eine flache Spitze (ein Plateau) oder ist sie spitz wie ein Berg? Ein spitzer Berg bedeutet, dass Sie den maximalen Bremsdruck nur für einen winzigen Moment halten und somit nicht die volle Verzögerungsleistung Ihres Autos nutzen. Das Ziel ist es, den Bereich „unter der Kurve“ zu maximieren. Eine Analyse verschiedener Sportwagen zeigt, was physikalisch möglich ist: Der Audi R8 GT erreichte dank seines feinfühligen ABS und konstanten Bremsdrucks sensationelle 30,1 Meter von 100 km/h auf 0 – ein Benchmark, der durch eine optimierte Bremskurve erreicht wird.

Das Training einer besseren „Brake Shape“ ist konkret umsetzbar. Üben Sie, initial so hart und schnell ins Pedal zu treten, dass das ABS gerade eben eingreift. Das ist Ihr maximaler Bremsdruck. Von dort aus können Sie lernen, das Plateau zu halten und den Druck sanft zu reduzieren. Dies verkürzt nicht nur den reinen Bremsweg, sondern stabilisiert auch das Fahrzeug am Kurveneingang und ist die Grundlage für effektives Trail Braking.

Visualisierung der Bremskurven-Analyse mit Telemetriedaten

Wie auf dieser Visualisierung der Textur einer Hochleistungs-Bremsscheibe zu sehen ist, erzeugen die extremen Kräfte und Temperaturen Muster, die von der Effizienz des Bremsvorgangs zeugen. Eine optimierte Bremskurve nutzt das Material bis an seine physikalische Grenze.

Eng oder weit: Welche Linie bringt laut GPS-Daten mehr Speed auf die folgende Gerade?

Die Debatte über die „richtige“ Linie ist so alt wie der Rennsport selbst. Eine enge Linie mit einem frühen Scheitelpunkt verkürzt den Weg, kostet aber Geschwindigkeit. Eine weite Linie mit einem späten Scheitelpunkt verlängert den Weg, ermöglicht aber eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit. Was ist also schneller? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Und Ihre GPS- und Geschwindigkeitsdaten geben Ihnen die eindeutige Antwort für jede einzelne Kurve auf Ihrer Lieblingsstrecke.

Hören Sie auf, nach Gefühl zu fahren oder einfach der Linie der anderen zu folgen. Fahren Sie stattdessen testweise drei Runden mit einer engen Linie und drei Runden mit einer weiten Linie durch eine Schlüsselkurve. In Ihrer Analyse-Software vergleichen Sie dann nicht die Rundenzeit, sondern drei spezifische Metriken: 1. Die minimale Geschwindigkeit in der Kurve (V-min). 2. Die Geschwindigkeit am Kurvenausgang (an einem definierten Punkt). 3. Die Zeit, die Sie bis zum Ende der folgenden Geraden benötigen.

Oft ist die Linie mit der niedrigsten V-min in der Kurve diejenige, die Ihnen am Ende der Geraden die höchste Geschwindigkeit und die schnellste Sektorzeit beschert. Die GPS-Daten lügen nicht und entlarven Linien, die sich schnell „anfühlen“, aber objektiv langsam sind.

Eine Analyse von auto-motor-und-sport vergleicht genau diese Szenarien und zeigt, wie unterschiedlich die optimale Linie je nach Kurvencharakteristik sein kann. Während in der Sachskurve in Hockenheim eine weite Linie einen klaren Vorteil bringt, ist im Karussell auf der Nordschleife die enge Linie schneller.

GPS-Daten Vergleich: Enge vs. weite Linie auf deutschen Strecken
Kurve/Strecke Enge Linie V-Min Weite Linie V-Min Ausgangsgeschwindigkeit Zeitdifferenz
Sachskurve Hockenheim 82 km/h 78 km/h Eng: 145 km/h / Weit: 152 km/h -0.3s für weite Linie
Karussell Nordschleife 68 km/h 75 km/h Eng: 110 km/h / Weit: 108 km/h +0.2s für enge Linie
Mercedes-Arena Nürburgring 95 km/h 92 km/h Eng: 165 km/h / Weit: 170 km/h -0.4s für weite Linie

Der Zeitverlust durch Rollphasen: Warum Sie zwischen Gas und Bremse keine Pause machen dürfen

Eine der größten und am häufigsten übersehenen Quellen für Zeitverlust bei Hobbyfahrern ist das „Coasting“ – die Phase, in der das Auto ohne nennenswerten Gas- oder Bremsdruck einfach nur rollt. Diese Rollphasen fühlen sich oft sicher und kontrolliert an, sind aber für die Rundenzeit pures Gift. Jede Millisekunde, in der Sie nicht entweder positiv (Gas) oder negativ (Bremse) beschleunigen, ist eine verpasste Gelegenheit. Das Auto wird durch Luft- und Rollwiderstand langsamer, aber nicht so effizient wie mit der Bremse, und es wird nicht schneller, wie es mit dem Gaspedal der Fall wäre. Es ist der absolute „Worst Case“ für die Fahrdynamik.

Ihre Telemetriedaten machen diese „Angst-Lücken“ gnadenlos sichtbar. Schauen Sie sich das Diagramm an, in dem die Gas- und Bremspedalstellung überlagert sind. Idealerweise sollte der Übergang von Bremse zu Gas (und umgekehrt) fast nahtlos sein. Die Bremskurve endet, und die Gaskurve beginnt. Finden Sie in Ihren Daten eine Lücke zwischen dem Ende des Bremsvorgangs und dem Beginn des Beschleunigens, haben Sie eine Coasting-Phase identifiziert. Diese treten typischerweise am Kurveneingang auf (Zögern vor dem Einlenken) oder in schnellen Kurvenkombinationen wie einem „S“.

Die Eliminierung dieser Phasen erfordert bewusstes Training. Es geht darum, den Übergang von einem Pedaleinsatz zum nächsten aktiv zu planen und auszuführen. Das Ziel ist es, immer „am Limit“ zu sein – entweder am Limit der Verzögerung oder am Limit der Beschleunigung. Selbst ein minimaler Gasdruck von 5-10% ist besser als komplettes Rollenlassen, da es den Antriebsstrang auf Spannung hält und das Auto stabilisiert.

Ihr Aktionsplan zur Eliminierung von Rollphasen

  1. Coasting-Zonen identifizieren: Kombinieren Sie Ihre Telemetriedaten mit Dashcam-Aufnahmen. Die Ingenieure wissen nach dem ersten Durchlauf schnell, wo der Fahrer Zeit verliert.
  2. Mentale Marker setzen: Planen Sie den exakten Punkt für den Übergang von Gas zu Bremse (und umgekehrt) bereits 50 Meter vor der eigentlichen Aktion.
  3. Linksbremsen üben: In Fahrzeugen mit Automatik- oder sequenziellem Getriebe ermöglicht das Linksbremsen nahtlose Übergänge, insbesondere in S-Kurven.
  4. Minimalen Gasdruck nutzen: Statt das Auto komplett rollen zu lassen, halten Sie eine minimale Spannung mit 5-10% Gas.
  5. Gas/Bremse-Überlappungsdiagramm analysieren: Machen Sie es sich zur Gewohnheit, dieses spezifische Diagramm nach jeder Session zu prüfen und die Lücken zu identifizieren.

Wann sollten Sie eine „Ghost-Car“-Referenz nutzen und wann lenkt sie nur ab?

Die „Ghost-Car“-Funktion, wie sie in vielen Sim-Racing-Spielen und auch in Tools wie dem Garmin Catalyst prominent ist, scheint auf den ersten Blick das perfekte Lernmittel zu sein. Sie visualisiert eine schnellere Referenzrunde direkt auf der Strecke und zeigt einem, wo man Zeit verliert. Für die erste Orientierung auf einer neuen Strecke kann dies durchaus hilfreich sein, um grundlegende Bremspunkte und Linien zu lernen. Doch im fortgeschrittenen Stadium des Selbst-Coachings kann das Geisterauto mehr schaden als nutzen.

Das Hauptproblem: Ein Ghost-Car verleitet zum reinen Kopieren statt zum Verstehen. Sie versuchen, mit dem Geist mitzuhalten, anstatt die Prinzipien der Fahrdynamik (Kamm’scher Kreis, Brake Shape), die wir besprochen haben, bewusst anzuwenden. Wenn Sie in einer Kurve hinter dem Geist zurückfallen, ist Ihre natürliche Reaktion, einfach später zu bremsen oder früher Gas zu geben, ohne zu analysieren, *warum* der Geist schneller war. Vielleicht hatte er eine bessere Ausgangsgeschwindigkeit aus der Kurve davor? Vielleicht hat er die Bremse effizienter genutzt? Das Ghost-Car gibt darauf keine Antwort, es erzeugt nur Druck.

Interessanterweise verzichten selbst Profis oft bewusst auf solche direkten visuellen Hilfsmittel während der Fahrt. Eine Fallstudie zur Nutzung bei Porsche-Rekordfahrten auf der Nordschleife zeigt, dass Entwicklungsfahrer wie Lars Kern den sogenannten „Track-Screen“ nutzen. Dieser reduziert die Anzeigen auf das absolut Wesentliche wie Reifendruck und Temperaturen, ohne eine ablenkende Ghost-Car-Visualisierung. Der Fokus liegt zu 100% auf dem Gefühl für das Auto und der sauberen Ausführung, nicht auf dem Jagen eines digitalen Schattens. Die Analyse, wo und warum Zeit verloren wurde, findet nach der Runde am Laptop statt – in Ruhe und mit allen Daten.

Ghost-Car-Referenz und Telemetrie-Overlay auf der Rennstrecke

Die symbolische Darstellung zweier Helme – einer scharf im Vordergrund (der Fahrer), der andere transparent im Hintergrund (der Geist) – verdeutlicht das Konzept. Der Fokus sollte immer auf der eigenen, bewussten Aktion liegen, nicht auf dem bloßen Nachahmen einer Referenz.

Daten-Overlay: Wo verlieren Sie die meiste Zeit gegenüber einer Referenzrunde?

Nachdem wir die grundlegenden Prinzipien verstanden haben, kommen wir zum mächtigsten Werkzeug für die gezielte Verbesserung: dem Daten-Overlay in Kombination mit der Zeitverlust-Kurve (oft als „Time Slip“ oder „Delta-T“ bezeichnet). Diese Kurve ist Ihr Wegweiser. Sie startet bei Null und zeigt bei jedem Meter auf der Strecke an, wie viel Zeit Sie im Vergleich zu einer Referenzrunde (z.B. Ihrer eigenen schnellsten Runde) gewonnen oder verloren haben. Ein Anstieg der Kurve bedeutet Zeitverlust, ein Abfall bedeutet Zeitgewinn.

Der erste Schritt jeder Analyse sollte sein, diesen Delta-T-Graphen zu betrachten. Ignorieren Sie die kleinen Zitterbewegungen und konzentrieren Sie sich auf die drei steilsten Anstiege. Dies sind die drei Zonen auf der Strecke, in denen Sie das meiste Potenzial verschenken. Anstatt Ihre gesamte Runde zu analysieren, fokussieren Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit nur auf diese drei Bereiche. Zoomen Sie in der Software in diese Sektionen hinein und überlagern Sie nun die relevanten Datenkanäle: Geschwindigkeit, Gas, Bremse, Lenkwinkel und die G-Kräfte (Kamm’scher Kreis).

Jetzt können Sie Ihre Hypothesen testen: Ist der steile Anstieg auf eine schlechte „Brake Shape“ zurückzuführen? Haben Sie eine „Angst-Lücke“ (Coasting) vor der Kurve? Haben Sie die falsche Linie gewählt, was zu einer niedrigen Ausgangsgeschwindigkeit führte? Die Daten in diesem spezifischen Kontext geben Ihnen die Antwort. Professionelle Systeme wie RaceWatch, die im Profi-Motorsport eingesetzt werden, bieten eine vollständig anpassbare Umgebung, um Hunderte von Kanälen synchron mit Video zu analysieren, aber das Grundprinzip bleibt dasselbe: Finde den größten Zeitverlust und analysiere dann die Ursache.

Die folgende Tabelle zeigt typische Fehlerquellen und deren Zeitverlust auf der Nordschleife, die durch genau eine solche Analyse identifiziert wurden.

Typische Zeitverlust-Bereiche auf der Nordschleife
Streckenabschnitt Häufigste Fehlerquelle Typischer Zeitverlust Telemetrie-Indikator
Fuchsröhre Zu frühes Bremsen aus Respekt 0.4-0.6 Sekunden Bremsbeginn >20m zu früh
Schwedenkreuz Zu langsamer Kurveneingang 0.3-0.5 Sekunden V-Min 5-8 km/h zu niedrig
Bellof-S Coasting zwischen den Kurven 0.2-0.4 Sekunden Gas <90% für >0.5s
Tiergarten Fehlende DRS-Aktivierung 0.5-0.7 Sekunden Geschwindigkeit -10 km/h

Was ist ein digitaler Zwilling im Fuhrpark eigentlich genau (ohne Marketing-Sprech)?

Der Begriff „Digitaler Zwilling“ wird oft im Marketing für Flottenmanagement und Industrie 4.0 verwendet, aber das Konzept dahinter ist die logische Weiterentwicklung dessen, was Sie als Hobby-Rennfahrer mit Ihren Telemetriedaten tun. Ohne das ganze Marketing-Gerede ist ein digitaler Zwilling im Kern nichts anderes als ein extrem detailliertes virtuelles Modell Ihres realen Fahrzeugs, das mit Echtzeit-Telemetriedaten gefüttert wird.

Man kann sich die Entwicklung dorthin in drei Phasen vorstellen: 1. Phase 1: Datensammlung. Das ist, was Sie bereits tun. In einem Formel-1-Auto stecken über 100 Sensoren, die Daten für rund 1.200 Informationskanäle liefern. Ihre RaceLogic-Box ist der Anfang davon. Sie sammeln Daten über Geschwindigkeit, Position, G-Kräfte etc. 2. Phase 2: Ghost-Car-Referenz und Analyse. Sie nutzen die gesammelten Daten, um Runden zu vergleichen und Ihre Fahrtechnik zu analysieren, so wie wir es in den vorherigen Abschnitten besprochen haben. 3. Phase 3: Der eigentliche Digitale Zwilling. Hier geht es einen entscheidenden Schritt weiter. Die Daten werden nicht nur analysiert, sondern sie füttern ein komplettes Simulationsmodell des Autos. Dieses Modell kennt die Aerodynamik, das Fahrwerks-Setup, den Reifenverschleiß und die Motorkennlinien. Es ist so präzise, dass Ingenieure „Was-wäre-wenn“-Szenarien durchspielen können, ohne dass das Auto einen Meter fährt.

Im Profisport, wie zum Beispiel bei Mercedes AMG Petronas in der Formel 1, wird dies genutzt, um Setup-Änderungen zu simulieren: „Was passiert, wenn wir den Heckflügel um 1 Grad flacher stellen? Wie wirkt sich das auf die Höchstgeschwindigkeit und den Reifenverschleiß über 20 Runden aus?“ Der digitale Zwilling gibt die Antwort. Für Sie als Hobbyfahrer ist dieses Niveau noch Zukunftsmusik, aber das Verständnis des Konzepts ist wichtig: Jede Datensammlung, die Sie heute machen, ist ein Baustein für ein immer besseres virtuelles Abbild Ihrer eigenen Performance.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kamm’scher Kreis: Ihr wichtigstes Werkzeug, um zu sehen, ob Sie das Grip-Limit Ihrer Reifen in kombinierten Brems- und Lenkphasen ausnutzen.
  • Brake Shape & Coasting: Eine effiziente, trapezförmige Bremskurve und die Eliminierung von Rollphasen sind die schnellsten Wege, um „kostenlose“ Rundenzeit zu finden.
  • Datenbasierte Linienwahl: Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Gefühl. Nutzen Sie GPS- und Geschwindigkeitsdaten, um objektiv die schnellste Linie für jede Kurve zu ermitteln, indem Sie die Zeit bis zum Ende der folgenden Geraden messen.

Wie lesen Sie Telemetriedaten, um auf der Nordschleife 10 Sekunden schneller zu werden?

Die Jagd nach Rundenzeit, besonders auf einer so anspruchsvollen Strecke wie der Nürburgring-Nordschleife, ist mehr als nur Mut und schnelle Reflexe. Es ist ein methodischer Prozess. Die 10 Sekunden, die einen guten von einem sehr guten Fahrer trennen, liegen nicht in einer einzigen magischen Aktion, sondern in der Summe vieler kleiner, konsequent umgesetzter Verbesserungen. Die Telemetrie ist der Schlüssel, um diese kleinen Verbesserungen zu identifizieren und zu quantifizieren. Es geht nicht darum, einmal eine „Heldenrunde“ zu fahren, sondern darum, konstant schnell zu sein. Die Analyse der Rekordfahrten von Porsche-Profis wie Kévin Estre und Lars Kern, die Rundenzeiten unter sieben Minuten mit nur wenigen Zehnteln Unterschied fahren, beweist die Bedeutung von konsistenter Ausführung auf höchstem Niveau.

Um also diese 10 Sekunden zu finden, müssen Sie aufhören, nach dem einen großen Fehler zu suchen. Beginnen Sie stattdessen, Ihre Telemetrie als Werkzeug für inkrementelle Gewinne zu nutzen. Nehmen Sie sich für Ihren nächsten Trackday nur eine einzige Sache vor, die Sie basierend auf Ihren Daten verbessern wollen. Zum Beispiel: „Ich eliminiere die größte Coasting-Zone in meiner Runde“ oder „Ich optimiere meine Bremskurve vor der Aremberg-Kurve“. Konzentrieren Sie sich eine ganze Session lang nur auf diesen einen Punkt. Wiederholen Sie ihn, bis die neue Technik im Muskelgedächtnis verankert ist. Im nächsten Schritt nehmen Sie sich die nächste Baustelle vor.

Die Datenanalyse verwandelt das abstrakte Ziel „schneller werden“ in eine Reihe konkreter, messbarer Aufgaben. Sie werden nicht 10 Sekunden in einer Runde finden. Aber Sie werden vielleicht 0,3 Sekunden durch eine bessere Bremskurve finden, 0,5 Sekunden durch eine optimierte Linie im Karussell und 0,4 Sekunden durch die Eliminierung einer Rollphase im Bellof-S. Wenn Sie diesen Prozess konsequent wiederholen, summieren sich diese kleinen Gewinne zu einem gewaltigen Sprung in Ihrer Performance. Der digitale Fahrlehrer in Ihrem Laptop hilft Ihnen dabei, systematisch und ohne Emotionen einen Baustein nach dem anderen zu verbessern.

Telemetriedaten-Analyse für schnellere Nordschleifen-Zeiten

Letztendlich ist die Telemetrie nur ein Werkzeug. Der entscheidende Faktor sind Sie – der Fahrer, der die Daten interpretiert, versteht und in bewusste Handlungen umsetzt. Der Moment der Konzentration in der Boxengasse, in dem aus Daten ein Plan wird, ist der Beginn jeder schnelleren Runde.

Beginnen Sie noch heute damit, diese Prinzipien anzuwenden. Wählen Sie bei Ihrer nächsten Ausfahrt nur einen der besprochenen Punkte aus und konzentrieren Sie sich darauf. Sie werden überrascht sein, wie eine kleine Änderung in der Analyse zu einem großen Schritt auf der Strecke führen kann.

Geschrieben von Michael Dr. Bauer, öffentlich bestellter und vereidigter Kfz-Sachverständiger für Unfallanalytik und Fahrzeugtechnik. Spezialisiert auf StVZO-Konformität, Tuning-Abnahmen und Versicherungsrecht.