Veröffentlicht am März 11, 2024

Die Abweichung zwischen dem beworbenen WLTP-Verbrauch und der Realität ist kein Zufall, sondern das Ergebnis systematischer Lücken im Testverfahren und physikalischer Kompromisse im Windkanal.

  • Die Simulation im Windkanal vernachlässigt oft die entscheidende Interaktion zwischen rotierenden Rädern und dem Unterboden, was den Luftwiderstand künstlich senkt.
  • Der WLTP-Testzyklus bildet mit seiner Maximalgeschwindigkeit von 131 km/h die Realität auf deutschen Autobahnen nur unzureichend ab, wo der Verbrauch exponentiell ansteigt.

Empfehlung: Achten Sie beim Autokauf neben dem WLTP-Wert vor allem auf einen niedrigen cw-Wert (Luftwiderstandsbeiwert), um die Effizienz bei höheren Geschwindigkeiten realistisch einzuschätzen.

Jeder Autofahrer kennt die Frustration: Man fährt von der Tankstelle, rechnet den Verbrauch aus und stellt fest, dass der Wert auf dem Papier meilenweit von der Realität entfernt ist. Die offiziellen WLTP-Angaben (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) versprechen eine Effizienz, die im Alltag, insbesondere auf der Autobahn, unerreichbar scheint. Schnell werden gängige Erklärungen herangezogen: der persönliche Fahrstil, dichter Verkehr oder schlechte Witterungsbedingungen. Diese Faktoren spielen zwar eine Rolle, greifen aber zu kurz.

Die wahre Ursache für diese Diskrepanz ist tiefer im System verankert und hat weniger mit Ihrem Gasfuß zu tun, als Sie vielleicht denken. Sie liegt in den grundlegenden Methoden, mit denen Fahrzeuge aerodynamisch getestet und zertifiziert werden. Es sind spezifische physikalische Kompromisse im Windkanal und eine entscheidende Lücke im standardisierten Testzyklus, die zusammen ein zu optimistisches Bild der Effizienz zeichnen. Die Abweichung ist also kein individuelles Problem, sondern eine systemische Konsequenz der Prüfmethodik.

Doch wo genau liegen diese Fehler im System? Und warum versagt ein millionenschwerer Hightech-Windkanal darin, eine einfache Autobahnfahrt präzise abzubilden? Dieser Artikel nimmt Sie mit in die Welt der Prüfingenieure und deckt die technischen Hintergründe auf. Wir analysieren Schritt für Schritt, wie die Interaktion zwischen Reifen und Straße im Labor vernachlässigt wird, warum Rennsport-Technologie einen realen Unterschied macht und wieso der WLTP-Zyklus gerade für deutsche Verhältnisse eine entscheidende Schwachstelle hat.

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Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Laborwerten und realem Verbrauch vollständig zu verstehen, haben wir diesen Artikel in übersichtliche Themenbereiche gegliedert. Der folgende Überblick führt Sie durch die zentralen Aspekte der aerodynamischen Prüfung und deren Auswirkungen auf Ihr Fahrzeug.

Warum ein „Moving Belt“ im Windkanal für realistische Werte unverzichtbar ist?

Ein moderner Windkanal ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das den Fahrtwind mit extremer Präzision simuliert. Doch eine entscheidende Variable wird in vielen Standardtests vernachlässigt: der Boden. In einem typischen Aufbau steht das Fahrzeug auf einem statischen Untergrund, während die Luft darüber hinwegströmt. Dieses Vorgehen ignoriert zwei fundamentale physikalische Effekte: den Rollwiderstand der Reifen und, noch wichtiger, die komplexe Luftströmung am Unterboden und um die rotierenden Räder.

Auf der Straße bewegt sich das Fahrzeug relativ zur ruhenden Luft, aber der Boden unter dem Auto bewegt sich mit derselben Geschwindigkeit relativ zum Fahrzeug. Diese Relativbewegung ist für die Aerodynamik entscheidend. Steht das Auto im Windkanal still, bildet sich zwischen Unterboden und Standfläche eine falsche Grenzschicht, die den Luftstrom bremst und verfälscht. Die Realität wird somit nur ungenügend abgebildet. Die Bedeutung dieses Effekts ist immens, denn laut Porsche-Windkanaltests in Weissach entstehen bis zu 50% des gesamten Luftwiderstands bei Geschwindigkeiten über 130 km/h allein durch die Interaktion mit dem Unterboden und den Rädern.

Hier kommt der „Moving Belt“ ins Spiel. Dies ist ein riesiges Laufband-System, auf dem das Fahrzeug im Windkanal platziert wird. Die Räder drehen sich auf vier kleineren Bändern, während ein großes Zentralband die Bewegung der Fahrbahn unter dem Auto simuliert. Nur so lässt sich die komplexe Interaktion von rotierenden Rädern, Radhäusern und dem Fahrzeugunterboden korrekt nachbilden. Ohne diese Technologie werden die aerodynamischen Kräfte, die auf den Unterboden wirken, systematisch unterschätzt, was zu einem künstlich optimierten cw-Wert führt – die erste große Diskrepanz zur Realität.

Maßstab 1:Wie Rennsport-Technologie den Verbrauch Ihres PKW um bis zu 15 % senkt?

Während die grundlegende Form eines Autos den Luftwiderstand maßgeblich bestimmt, liegt das wahre Potenzial zur Effizienzsteigerung im Detail – insbesondere in der aktiven Aerodynamik. Diese aus dem Rennsport stammenden Technologien passen die Form des Fahrzeugs dynamisch an die jeweilige Fahrsituation an, um den cw-Wert in Echtzeit zu optimieren. Sie sind der Schlüssel, um den Konflikt zwischen Abtrieb für Stabilität in Kurven und minimalem Widerstand für Effizienz bei Geradeausfahrt zu lösen.

Zu den bekanntesten Elementen gehören adaptive Heckspoiler, die bei niedrigen Geschwindigkeiten eingefahren sind, um die Ästhetik nicht zu stören, und bei hohem Tempo ausfahren, um die Stabilität zu erhöhen und gleichzeitig den Luftstrom gezielt abzuleiten. Ebenso wichtig sind aktive Kühlluftklappen in der Front. Bei geringem Kühlbedarf schließen sie sich automatisch und verhindern so, dass Luft in den Motorraum strömt und dort für Verwirbelungen sorgt. Erst bei hoher Last oder Geschwindigkeit öffnen sie sich, um eine optimale Motorkühlung zu gewährleisten. Diese intelligenten Systeme können den cw-Wert signifikant verbessern.

Dieser Paragraph führt ein komplexes Konzept ein. Um es besser zu verstehen, ist es hilfreich, die Hauptkomponenten zu visualisieren. Die folgende Abbildung zeigt diese Prozesse im Detail.

Nahaufnahme aktiver Aerodynamikelemente an einem modernen Sportwagen

Wie dieses Schema zeigt, spielt jeder Schritt eine entscheidende Rolle. Der Datenfluss wird so für die Leistung optimiert. Der Unterschied wird im direkten Vergleich deutlich: Während ein Supersportwagen wie ein Lamborghini auf maximale Kühlung und Abtrieb ausgelegt ist und einen cw-Wert von 0,33 aufweist, erreicht ein Porsche 911 dank seines adaptiven Spoilers einen deutlich besseren Wert von 0,27. Diese Differenz von 0,06 mag gering klingen, führt aber bei Autobahngeschwindigkeit zu einer Verbrauchsreduktion von bis zu 15 %.

Computer vs. Realität: Warum die digitale Simulation den echten Windkanal nie ganz ersetzt?

Bevor ein teurer Prototyp überhaupt gebaut wird, finden heute unzählige Optimierungsschleifen am Computer statt. Mithilfe der numerischen Strömungsmechanik, auch Computational Fluid Dynamics (CFD) genannt, können Ingenieure virtuell analysieren, wie die Luft ein Fahrzeug umströmt. Diese digitalen Simulationen sind ein unverzichtbares Werkzeug, um frühzeitig Designschwächen zu erkennen und verschiedene Konzepte kostengünstig zu vergleichen. Sie ermöglichen es, Hunderte von Varianten für Bauteile wie Spiegel oder Spoiler durchzuspielen, ohne jemals ein physisches Modell anfertigen zu müssen.

Mercedes-Benz beispielsweise nutzt diesen Ansatz intensiv: Konzepte für Anbauteile werden zuerst digital in der CFD entwickelt und optimiert. Erst danach werden vielversprechende Varianten als physische Modelle im Windkanal in Untertürkheim bei bis zu 250 km/h getestet, um die Simulationsergebnisse zu validieren. Trotz der enormen Fortschritte in der Rechenleistung kann die CFD den physischen Test jedoch nicht vollständig ersetzen. Die Realität ist zu komplex. Phänomene wie die Ablösung der Strömung an scharfen Kanten oder die Interaktion von Reifenverformung und Luftstrom sind extrem schwer exakt zu berechnen.

Die ultimative Messlatte bleibt der physische Windkanal, dessen Präzision selbst kleinste Kräfte erfassen muss. Wie Dr. Hauke Stumpf, Leiter des Porsche-Windkanals in Weissach, es auf den Punkt bringt:

Wir müssen Kräfte von einem Newton erfassen können – das ist die Gewichtskraft von knapp 100 Gramm bei einem 1,5 Tonnen schweren Auto

– Dr. Hauke Stumpf, Leiter Prüffeld Porsche Windkanal Weissach

Diese unglaubliche Sensitivität, die selbst feinste Verwirbelungen aufdeckt, kann eine Simulation bis heute nicht mit derselben Zuverlässigkeit liefern. Die CFD ist ein mächtiges Werkzeug zur Vorentwicklung, aber die finale Wahrheit über die Aerodynamik eines Fahrzeugs offenbart sich erst im realen Luftstrom des Windkanals.

Der Fehler im WLTP-Zyklus, der Autobahnfahrten unrealistisch abbildet

Der WLTP-Zyklus wurde eingeführt, um realistischere und weltweit vergleichbare Verbrauchsdaten zu liefern. Er ist zweifellos eine Verbesserung gegenüber dem alten NEFZ-Standard. Doch gerade für ein Land mit einem Autobahnnetz ohne generelles Tempolimit wie Deutschland weist der Zyklus eine fundamentale Schwachstelle auf: die „Extra High“-Phase, die schnelle Autobahnfahrten simulieren soll.

Analysiert man diese Phase genauer, offenbart sich das Problem. Laut ADAC-Analyse des WLTP-Messverfahrens erreicht das Fahrzeug hier eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 97,4 km/h und eine kurze Spitze von 131,3 km/h. Dies mag für viele Länder repräsentativ sein, aber es spiegelt in keiner Weise das typische Fahrprofil auf einer freien deutschen Autobahn wider, wo Richtgeschwindigkeiten von 130 km/h und reale Reisegeschwindigkeiten von 140-160 km/h üblich sind. Da der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit zunimmt, hat dieser scheinbar kleine Unterschied eine enorme Auswirkung auf den realen Verbrauch.

Dieser Paragraph stellt eine visuelle Dualität zwischen Labor-Testbedingungen und realem Autobahnfahren her. Die folgende Abbildung zeigt diesen Kontrast.

Geteilte Ansicht eines Testlabors mit Rollenprüfstand und einer deutschen Autobahn

Die Konsequenzen dieser systemischen Lücke sind besonders bei Elektroautos dramatisch. Ihre Reichweite hängt extrem stark von der Geschwindigkeit ab. Während sie im Stadtverkehr oft sogar mehr als die WLTP-Angabe schaffen, bricht die Reichweite auf der Autobahn ein. Ein Test von AUTO BILD mit 51 Elektroautos zeigte, dass diese bei konstant 130 km/h im Durchschnitt nur 72% ihrer angegebenen WLTP-Reichweite erreichen. Ein Fahrzeug mit einer Normreichweite von 500 km kommt in der Praxis also nur rund 360 km weit. Der WLTP-Wert ist somit für die Planung langer Strecken auf der Autobahn ein unzuverlässiger Indikator.

Wie werden Windgeräusche im Kanal eliminiert, damit Ihr Auto bei 160 km/h leise bleibt?

Bei hohen Geschwindigkeiten ist der Fahrkomfort eng mit der Akustik verbunden. Störende Windgeräusche können eine lange Autobahnfahrt zur Belastung machen. Was viele nicht wissen: Jedes Windgeräusch ist nicht nur ein akustisches Problem, sondern auch ein aerodynamisches. Es ist ein direktes Indiz für Luftverwirbelungen, die den Luftwiderstand und damit den Verbrauch erhöhen. Die Optimierung der Aeroakustik ist daher ein zentrales Ziel bei der Fahrzeugentwicklung.

Um diese Geräuschquellen präzise zu lokalisieren, setzen Hersteller wie Mercedes-Benz und Audi spezielle Aeroakustik-Windkanäle ein. Diese Anlagen sind so konzipiert, dass der Luftstrom selbst bei hohen Geschwindigkeiten nahezu lautlos ist. Im Aeroakustik-Windkanal in Sindelfingen strömt die Luft bei 140 km/h so leise durch die Messstrecke, dass man sich problemlos unterhalten könnte. Dies ist die Voraussetzung, um die winzigen Geräusche, die das Fahrzeug selbst erzeugt, überhaupt wahrnehmen zu können.

Zur Ortung der Lärmquellen wird hochentwickelte Technologie eingesetzt. Hunderte von Mikrofonen, angeordnet in einem sogenannten Mikrofonarray, zeichnen den Schall auf. Eine Software verarbeitet diese Daten und erzeugt eine Art „akustisches Foto“, das die Schallausbreitung farblich visualisiert und exakt anzeigt, an welcher Stelle – sei es eine Türdichtung, der Außenspiegel oder eine Zierleiste – die störenden Verwirbelungen entstehen. Die Ingenieure können so gezielt kleinste Designänderungen vornehmen, um die Geräusche zu minimieren. Das Entwicklungsteam von Mercedes-Benz fasst den Zusammenhang prägnant zusammen:

Jede Lärmquelle wie eine pfeifende Dichtung ist eine Luftverwirbelung, die gleichzeitig den Luftwiderstand und damit den Verbrauch erhöht

– Mercedes-Benz Entwicklungsteam, Mercedes-Benz Technology Center Sindelfingen

Ein leises Auto ist also nicht nur komfortabler, sondern in der Regel auch aerodynamisch effizienter. Die Jagd nach dem pfeifenden Geräusch ist somit auch eine Jagd nach einem geringeren Verbrauch.

Wie schafft ein Prototyp die Hürden der StVZO ohne teure Nachbesserungen?

Die Entwicklung eines aerodynamisch perfekten Fahrzeugs im Windkanal ist die eine Sache. Die andere ist, dieses Design mit den strengen Vorgaben der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) in Einklang zu bringen, ohne kostspielige Nachbesserungen am fertigen Prototyp vornehmen zu müssen. Die StVZO regelt alles, von der Größe und Form der Außenspiegel (§56) bis hin zur Position und Leuchtkraft der Scheinwerfer (§53). Oft stehen diese Vorschriften im direkten Konflikt mit den Zielen der Aerodynamiker.

Ein klassisches Beispiel sind die Außenspiegel. Aerodynamisch wären kleine Kameras die beste Lösung, aber die StVZO schreibt eine bestimmte Spiegelfläche vor. Jeder Kompromiss hier verschlechtert den cw-Wert. Um solche Konflikte frühzeitig zu lösen, hat sich der Entwicklungsprozess radikal verändert. Statt auf den Bau eines physischen Prototyps zu warten, findet die Konformitätsprüfung heute bereits in der digitalen Phase statt.

Ingenieure erstellen einen „digitalen Zwilling“ des Fahrzeugs in der CAD-Software. Dieser wird dann virtuell gegen die Paragraphen der StVZO geprüft. Software kann simulieren, ob die Sichtfelder der Spiegel den gesetzlichen Anforderungen entsprechen oder ob die Scheinwerfer den richtigen Bereich ausleuchten. So können Designanpassungen iterativ und kostengünstig am Computer vorgenommen werden, lange bevor das erste Blech gebogen wird. Der Einsatz der MirrorCam anstelle klassischer Spiegel bei LKW, wie von der Daimler Truck AG gemessen, zeigt das Potenzial: Der Verbrauch wird allein dadurch um bis zu 1,5 % reduziert.

Ihr Aktionsplan: StVZO-Konformitätsprüfung im digitalen Prozess

  1. Erstellung eines digitalen Zwillings des Fahrzeugdesigns in CAD-Software zur präzisen Abbildung aller Komponenten.
  2. Virtuelle StVZO-Prüfung aller relevanten Paragraphen, insbesondere §56 (Spiegel und Sichtfelder) und §53 (Beleuchtungseinrichtungen).
  3. Identifikation von Zielkonflikten zwischen aerodynamischer Optimierung und den gesetzlichen Anforderungen der StVZO.
  4. Iterative Anpassung des digitalen Designs zur Auflösung der Konflikte, bevor teure physische Prototypen gebaut werden.
  5. Finale Homologation und TÜV-Einzelabnahme des physisch optimierten Prototyps als letzter Validierungsschritt.

Concept Car vs. Realität: Warum sehen Serienautos nie so gut aus wie auf der Messe?

Auf Automessen rauben uns Concept Cars den Atem. Mit ihren extrem flachen Silhouetten, winzigen Kamerastummeln statt Spiegeln und bündig versenkten Türgriffen wirken sie wie Skulpturen aus der Zukunft. Doch wenn Jahre später das Serienmodell auf den Markt kommt, ist die Enttäuschung oft groß: Die Proportionen wirken plumper, die Details konventioneller. Dieser Wandel ist kein Mangel an Mut seitens der Designer, sondern das Ergebnis unzähliger Kompromisse zwischen aerodynamischer Idealform und den harten Realitäten von Gesetzgebung, Kosten und Alltagstauglichkeit.

Porsche nutzt beispielsweise bereits seit den 1960er Jahren Miniaturmodelle im Maßstab 1:4 für erste Windkanaltests, um die Grundform zu optimieren. Der Übergang vom aerodynamisch perfekten Concept Car zum Serienfahrzeug ist jedoch ein Weg der Zugeständnisse. Die winzigen Kameras müssen StVZO-konformen Außenspiegeln weichen. Die futuristischen, versenkten Türgriffe werden durch praktischere (und günstigere) Bügelgriffe ersetzt. Die schmalen Show-Reifen, die den Luftwiderstand minimieren, weichen breiteren Serienreifen, die mehr Grip bieten. Und der komplett glatte Unterboden des Konzepts erhält Aussparungen für Wartungsarbeiten an Motor und Auspuff.

Jede dieser Änderungen, so klein sie auch erscheinen mag, verschlechtert den cw-Wert systematisch. Die Summe dieser Kompromisse erklärt, warum ein Serienauto aerodynamisch nie ganz an sein Konzept-Vorbild heranreicht.

Die Auswirkungen dieser gesetzlich und praktisch erzwungenen Kompromisse lassen sich quantifizieren, wie eine vergleichende Analyse zeigt.

Aerodynamische Verschlechterung vom Concept Car zum Serienmodell
Bauteil Concept Car Serienfahrzeug cw-Wert Einfluss
Außenspiegel Kameras StVZO-konforme Spiegel +0,010
Türgriffe Versenkt Bügelgriffe +0,005
Reifen Schmale Showcars-Reifen Breite Serienreifen +0,008
Unterboden Vollverkleidung Teilverkleidung für Wartung +0,012

Der Traum vom Messe-Design muss also zwangsläufig an den Anforderungen der Realität zerschellen. Der finale cw-Wert ist immer ein Kompromiss aus dem physikalisch Möglichen und dem gesetzlich Erforderlichen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Simulation der Bodeninteraktion (Moving Belt) ist entscheidend für realistische Luftwiderstandswerte, wird aber in Standardtests oft vernachlässigt.
  • Die „Extra High“-Phase des WLTP-Zyklus spiegelt die realen Geschwindigkeiten auf deutschen Autobahnen nicht wider, was zu systematisch zu niedrigen Verbrauchswerten führt.
  • Notwendige Designänderungen vom Concept Car zum Serienmodell (z. B. Spiegel, Türgriffe) führen zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Aerodynamik und einem höheren cw-Wert.

Wie viel Euro sparen Sie wirklich durch einen cw-Wert von unter 0,25 auf der Autobahn?

Nach all der Theorie über cw-Werte und Windkanäle stellt sich die entscheidende Frage: Was bedeutet das konkret für meinen Geldbeutel? Der Luftwiderstandsbeiwert (cw-Wert) in Kombination mit der Stirnfläche des Fahrzeugs ist der dominierende Faktor für den Verbrauch bei hohen Geschwindigkeiten. Ein niedriger cw-Wert macht sich daher vor allem auf der Autobahn bezahlt – und das deutlich.

Vergleichen wir beispielsweise ein typisches SUV mit einem cw-Wert von 0,33 mit einer aerodynamisch optimierten Limousine mit einem cw-Wert von 0,24. Bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h ist der Unterschied im Verbrauch und den Kosten enorm. Die Einsparung ist keine theoretische Größe, sondern schlägt sich direkt in barer Münze nieder.

Die folgende Analyse zeigt die Kraftstoffersparnis zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten, basierend auf aktuellen Kraftstoffpreisen.

Kraftstoffersparnis SUV vs. Limousine bei verschiedenen Geschwindigkeiten
Fahrzeugtyp cw-Wert Verbrauch 130 km/h Verbrauch 160 km/h Kosten/100km bei 1,85€/L
SUV (BMW X5) 0,33 8,5 L/100km 11,2 L/100km 20,72€
Limousine (BMW 5er) 0,29 7,2 L/100km 9,4 L/100km 17,39€
Aerodynamische Limousine 0,24 6,5 L/100km 8,3 L/100km 15,36€
Ersparnis cw 0,24 vs 0,33 2,0 L/100km 2,9 L/100km 5,37€

Wie die Tabelle zeigt, spart der Fahrer der aerodynamischen Limousine bei 160 km/h über 5 Euro auf 100 Kilometern im Vergleich zum SUV-Fahrer. Für Elektroautofahrer ist der Effekt noch direkter spürbar in Form von Reichweite. Berechnungen auf Basis von Autobahntests zeigen, dass pro 0,01 Verbesserung des cw-Werts mit einem Reichweitengewinn von 5 bis 7 Kilometern pro Ladung gerechnet werden kann. Ein niedriger cw-Wert ist also die beste Investition für alle, die häufig lange Strecken mit hohem Tempo zurücklegen.

Um das volle Sparpotenzial zu realisieren, ist es entscheidend, nicht nur auf den WLTP-Wert, sondern vor allem auf die fundamentalen aerodynamischen Eigenschaften des Fahrzeugs zu achten.

Wenn Sie also das nächste Mal vor einer Kaufentscheidung stehen und häufig auf der Autobahn unterwegs sind, sollten Sie als kritischer Verbraucher einen genaueren Blick auf die technischen Daten werfen. Fragen Sie nicht nur nach dem WLTP-Verbrauch, sondern explizit nach dem cw-Wert. Denn dieser Wert gibt Ihnen einen weitaus ehrlicheren Hinweis darauf, wie effizient Ihr zukünftiges Fahrzeug dort sein wird, wo Effizienz am meisten kostet: bei hoher Geschwindigkeit.

Geschrieben von Lukas Weber, Diplom-Ingenieur für Fahrzeugtechnik mit Schwerpunkt Aerodynamik und Fahrwerksentwicklung. Über 12 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Hochleistungsfahrzeugen bei einem süddeutschen Premiumhersteller.