Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Die kurze Antwort: Nein, Telematik ist kein allmächtiges Kontrollinstrument, sondern ein System mit klaren rechtlichen roten Linien, die Sie kennen müssen.

  • Die permanente Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Mitarbeitern ist in Deutschland grundsätzlich verboten.
  • GPS-Daten allein sind als Beweis für eine Kündigung oft unzulässig und die Beweislast liegt beim Arbeitgeber.

Empfehlung: Dokumentieren Sie alles, kennen Sie die Grenzen des Systems und fordern Sie aktiv Ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

Das Gefühl ist vielen Fahrern vertraut: Ein kleiner Kasten an der Windschutzscheibe oder unsichtbar verbaut, und schon ist die Zentrale immer mit an Bord. Man fühlt sich beobachtet, jeder Bremsvorgang, jede Pause, jeder Kilometer wird potenziell registriert. Arbeitgeber argumentieren gerne mit Effizienzsteigerung, Diebstahlschutz oder besserer Tourenplanung. Das sind auf den ersten Blick legitime Gründe. Doch hinter diesen Argumenten verbirgt sich oft der Wunsch nach totaler Kontrolle über die Mitarbeiter.

Die meisten Ratgeber bleiben an der Oberfläche und erklären, dass die Überwachung für betriebliche Zwecke erlaubt sei, für private Zwecke aber nicht. Das ist zwar richtig, aber es ist nur die halbe Wahrheit. Es lässt Sie als Fahrer in einer passiven Rolle zurück, als reines Objekt der Datensammlung. Doch das deutsche Arbeits- und Datenschutzrecht ist eine scharfe Waffe in den Händen der Arbeitnehmer – wenn man weiß, wie man sie einsetzt. Die entscheidende Frage ist nicht, was der Chef darf, sondern wo seine Macht endet und Ihre aktive Gegenwehr beginnt.

Dieser Artikel bricht mit dem Mythos des allmächtigen Arbeitgebers. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht zeige ich Ihnen die systemischen Schwachstellen der Überwachung auf. Es geht darum, das Narrativ umzudrehen: Telematiksysteme sind nicht unfehlbar und die gesammelten Daten sind kein Freifahrtschein für Sanktionen. Sie haben als Fahrer weitreichende Rechte, von der Datenhoheit bis hin zu klaren Kündigungsschutzmechanismen. Wir werden die rechtlichen roten Linien ausloten und Ihnen konkrete Werkzeuge an die Hand geben, damit Sie nicht nur Ihre Rechte kennen, sondern diese auch selbstbewusst durchsetzen können.

Um Ihnen einen vollständigen Überblick über Ihre Rechte und die Grenzen der Überwachung zu geben, haben wir die wichtigsten Aspekte für Sie aufbereitet. Die folgende Gliederung führt Sie durch die zentralen rechtlichen Schlachtfelder rund um die Telematik im Dienstwagen.

Wann ist die dauerhafte GPS-Ortung von Mitarbeitern in Deutschland zulässig?

Die ständige GPS-Ortung von Mitarbeitern ist ein massiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Deshalb ist sie in Deutschland nur unter sehr strengen Voraussetzungen erlaubt. Eine pauschale Überwachung, um zu sehen, ob Sie arbeiten, ist grundsätzlich unzulässig. Der Arbeitgeber benötigt immer ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“. Anerkannte Zwecke sind beispielsweise der Diebstahlschutz von Fahrzeugen und wertvoller Ladung oder die Koordination von Service-Einsätzen in Echtzeit. Eine permanente Speicherung der Bewegungsdaten ist damit aber noch lange nicht gerechtfertigt.

Eine der wichtigsten Hürden für den Arbeitgeber ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die Einführung eines GPS-Systems ist ohne seine Zustimmung nicht möglich, da es sich um eine technische Einrichtung handelt, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). In einer Betriebsvereinbarung müssen der Zweck, die Art der Datenerhebung und vor allem die Löschfristen genau festgelegt werden. Als Arbeitnehmer sollten Sie sich immer an Ihren Betriebsrat wenden, wenn ein solches System eingeführt wird. Er ist Ihr stärkster Verbündeter.

Professionelle Beratungssituation zwischen Datenschutzbeauftragtem und Mitarbeiter

Die Rechtsprechung stärkt hier die Position der Mitarbeiter. So hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern entschieden, dass der Betriebsrat ein umfassendes Mitbestimmungsrecht hat, selbst wenn der Arbeitgeber mit Argumenten wie Diebstahlschutz im Ausland oder besserer Kundeninformation kommt. Das Gericht machte klar, dass die potenziellen Überwachungsmöglichkeiten die Interessen der Arbeitnehmer so stark berühren, dass eine klare Regelung unerlässlich ist. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist der Einsatz des Systems illegal und die Daten dürfen nicht verwendet werden.

Fahrstil-Score: Darf eine schlechte Eco-Note Auswirkungen auf Ihr Gehalt haben?

Moderne Telematiksysteme können weit mehr als nur den Standort erfassen. Sie analysieren das Fahrverhalten: Beschleunigung, Bremsmanöver, Kurvengeschwindigkeit und Kraftstoffverbrauch. Daraus wird oft ein „Fahrstil-Score“ oder eine „Eco-Note“ errechnet. Die Verlockung für Arbeitgeber ist groß, diese Note an Boni oder gar das Gehalt zu koppeln. Doch hier verläuft eine der klarsten rechtlichen roten Linien. Eine solche Praxis wäre eine unzulässige Leistungs- und Verhaltenskontrolle, die in dieser Form gegen das deutsche Arbeitsrecht verstößt.

Das Grundproblem: Ein solcher Score ist selten objektiv. Er berücksichtigt weder die Verkehrslage, noch Witterungsbedingungen oder die Notwendigkeit einer Notbremsung, um einen Unfall zu vermeiden. Ein Fahrer, der vorausschauend fährt und plötzlich stark bremsen muss, um ein Kind zu schützen, würde bestraft. Ein anderer, der auf freier Autobahn gleichmäßig rollt, würde belohnt. Dies führt zu ungerechten und willkürlichen Bewertungen. Die Koppelung des Gehalts an solche intransparenten und leicht manipulierbaren Metriken ist daher rechtlich extrem angreifbar.

Sollte Ihr Arbeitgeber Prämien für „gutes Fahren“ ausloben oder gar Abzüge für „schlechtes Fahren“ androhen, ist höchste Vorsicht geboten. Dies stellt eine Form der permanenten Leistungsüberwachung dar, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Ohne eine Betriebsvereinbarung, die genau regelt, wie solche Daten erhoben und (anonymisiert) verwendet werden dürfen – beispielsweise für allgemeine Schulungszwecke –, ist die individuelle Auswertung unzulässig. Ihr Gehalt ist für Ihre Arbeitsleistung geschuldet, nicht für einen willkürlichen Score einer Blackbox. Wehren Sie sich gegen solchen Druck – die Rechtslage ist hier klar auf Ihrer Seite.

Der „Privat“-Knopf: Warum muss die Ortung bei privater Nutzung zwingend aus sein?

Wenn Ihnen die private Nutzung des Dienstwagens gestattet ist, endet die Überwachungsbefugnis Ihres Arbeitgebers an dem Moment, in dem die Privatfahrt beginnt. Ihr Privatleben geht den Chef nichts an. Das Bundesdatenschutzgesetz und die DSGVO schützen Ihre Privatsphäre rigoros. Daher muss jedes Telematiksystem über eine Funktion verfügen, die das Tracking für Privatfahrten zuverlässig und nachweisbar abschaltet – der sogenannte „Privat-Knopf“ oder eine ähnliche Software-Lösung.

Die Aktivierung dieses Modus muss dazu führen, dass keine Standortdaten mehr an den Arbeitgeber übermittelt werden. Es ist unzulässig, wenn das System die Fahrt trotzdem aufzeichnet und nur „maskiert“. Denn auch die Information, dass eine Privatfahrt stattgefunden hat, ist bereits ein Datum, das den Arbeitgeber nichts angeht. Die dauerhafte Speicherung von GPS-Daten ohne Anlass und ohne explizite, freiwillige Einwilligung ist illegal. Dies hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem Urteil klargestellt, bei dem ein Unternehmen die Daten von 55 Fahrzeugen dauerhaft gespeichert hatte. Die Richter sahen darin einen klaren Verstoß gegen die DSGVO, da die Notwendigkeit für eine solch umfassende Speicherung nicht gegeben war.

Doch was tun, wenn der Privat-Knopf defekt ist oder die Umschaltung in der Software nicht funktioniert? Hier beginnt Ihre aktive Gegenwehr. Es reicht nicht, den Defekt einfach hinzunehmen. Sie müssen handeln, um sich abzusichern und die systemische Schwachstelle zu dokumentieren. Ein bloßer Anruf in der Zentrale genügt nicht, da er später nicht beweisbar ist. Sie müssen eine lückenlose Dokumentationskette schaffen, um sich vor dem Vorwurf zu schützen, Sie hätten die Aufzeichnung bewusst manipuliert oder private Fahrten als dienstlich deklariert.

Ihr Plan zur aktiven Gegenwehr: Checkliste bei defektem Privat-Modus

  1. Sofort dokumentieren: Notieren Sie Datum und Uhrzeit des festgestellten Defekts schriftlich. Machen Sie Fotos oder Screenshots der Fehlermeldung oder des nicht funktionierenden Schalters.
  2. Vorgesetzten informieren: Melden Sie den Defekt umgehend und nachweislich (z. B. per E-Mail) Ihrem Vorgesetzten. Setzen Sie den Betriebsrat in CC.
  3. Datenschutzbeauftragten einbeziehen: Senden Sie eine schriftliche Meldung an den Datenschutzbeauftragten Ihres Unternehmens. Er ist gesetzlich verpflichtet, dem nachzugehen.
  4. Alternativ erfassen: Führen Sie für die Dauer des Defekts ein manuelles Fahrtenbuch, um dienstliche und private Fahrten sauber zu trennen.
  5. Reparatur einfordern: Fordern Sie eine priorisierte Reparatur und bewahren Sie den Reparaturauftrag bzw. die Bestätigung sorgfältig auf.

Wer hat Zugriff auf Ihre Bewegungsdaten, wenn die Spedition gehackt wird?

Ihre Bewegungsdaten sind sensible Informationen. Sie verraten nicht nur, wo Sie waren, sondern auch, wann Sie Pausen machen, welche Ärzte Sie besuchen oder wo Ihre Freunde wohnen. Wenn diese Daten in die falschen Hände geraten, kann der Schaden immens sein. Die Frage ist also nicht nur, was Ihr Arbeitgeber darf, sondern wer in der langen Kette der Datenverarbeitung noch alles Zugriff hat – und wer bei einem Datenleck haftet. Die Verantwortung liegt nämlich nicht allein bei Ihrem Chef.

Die Datenkette ist komplex: Ihr Arbeitgeber ist der „Verantwortliche“ im Sinne der DSGVO. Der Telematikanbieter ist in der Regel ein „Auftragsverarbeiter“. Oft kommt noch ein Cloud-Provider (z. B. Amazon Web Services, Microsoft Azure) als „Unterauftragsverarbeiter“ hinzu. Bei geleasten Fahrzeugen kann sogar die Leasingfirma ein „Gemeinsam Verantwortlicher“ sein. Jeder Akteur in dieser Kette hat strenge Datenschutzpflichten und haftet im Schadensfall. Für Sie als Fahrer ist das eine gute Nachricht: Sie haben im Falle eines Datenlecks mehrere potenzielle Anspruchsgegner für Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.

Hochsicherer Serverraum mit Sicherheitssystemen für Telematikdaten

Der Arbeitgeber muss durch technische und organisatorische Maßnahmen (TOMs) sicherstellen, dass die Daten sicher sind. Dazu gehört die Auswahl eines vertrauenswürdigen Telematikanbieters, der idealerweise seine Server in Deutschland oder der EU betreibt und strenge Sicherheitsstandards einhält. Die folgende Tabelle zeigt, wer welche Rolle spielt und im Ernstfall den Kopf hinhalten muss, wie es eine Analyse der Verantwortlichkeiten bei GPS-Systemen verdeutlicht.

Verantwortlichkeiten in der Datenschutzkette bei Telematik
Akteur Rolle Datenschutz-Pflichten Haftung bei Datenleck
Arbeitgeber Verantwortlicher Art. 32 DSGVO – TOMs implementieren Art. 82 DSGVO – Schadensersatz
Telematikanbieter Auftragsverarbeiter Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) Mithaftung bei Verschulden
Leasingfirma Gemeinsam Verantwortlicher Joint-Controller-Vereinbarung Anteilige Haftung
Cloud-Provider Unterauftragsverarbeiter Genehmigung durch Verantwortlichen Bei eigenem Verschulden

Dürfen Telematikdaten als Kündigungsgrund wegen Arbeitszeitbetrug verwendet werden?

Dies ist eine der heikelsten Fragen. Ein Arbeitgeber könnte auf die Idee kommen, GPS-Daten zu nutzen, um einen Arbeitszeitbetrug nachzuweisen – etwa, weil das Fahrzeug zu lange an einem Ort stand, der nicht dem Kundenbesuch diente. Doch vor Gericht haben solche Beweise oft einen schweren Stand. Die Beweislast liegt vollumfänglich beim Arbeitgeber, und Telematikdaten allein sind als Beweis oft nicht ausreichend oder sogar gänzlich unverwertbar.

Der Grund liegt im Prinzip der Zweckbindung. Wurde das GPS-System offiziell nur zum Zweck des Diebstahlschutzes oder der Tourenplanung eingeführt, dürfen die Daten nicht heimlich zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle zweckentfremdet werden. Genau dies hat auch der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) in einem Fall entschieden: Er sah die Routenplanung zwar als legitim an, aber die Speicherung der GPS-Daten zur nachträglichen Kontrolle war damit nicht zu rechtfertigen. Eine Kündigung, die sich allein auf solche unzulässig erhobenen oder genutzten Daten stützt, ist in der Regel unwirksam.

Noch deutlicher wird die Justiz bei heimlicher Überwachung. Sollte Ihr Chef ohne Ihr Wissen und ohne Zustimmung des Betriebsrats ein GPS-System installiert haben, macht er sich unter Umständen sogar strafbar. Hierzu gibt es eine glasklare Positionierung der höchsten deutschen Richter. In einer Entscheidung formulierte der Bundesgerichtshof unmissverständlich:

Die heimliche Überwachung mittels eines GPS-Empfängers ist grundsätzlich strafbar. Die Auswertung des Bewegungsprofils durch GPS Sender ist natürlich auch dann strafbar, wenn der Eigentümer des Fahrzeugs dies beauftragt und hierdurch den Fahrer, dem dieser Umstand nicht bekannt ist, überwachen lässt.

– Bundesgerichtshof, BGH-Entscheidung 1 StR 32/13

Das bedeutet: Daten aus einer heimlichen Überwachung unterliegen einem absoluten Beweisverwertungsverbot vor dem Arbeitsgericht. Eine darauf gestützte Kündigung hat keine Chance. Wenn Sie den Verdacht haben, heimlich überwacht zu werden, sollten Sie sofort rechtlichen Beistand und den Betriebsrat einschalten.

Darf Ihr Auto ohne Zustimmung Daten an den Hersteller in die Cloud senden?

Die Überwachung endet nicht bei Ihrem Arbeitgeber. Moderne Fahrzeuge sind „Connected Cars“ – rollende Computer, die permanent Daten produzieren und senden. Der Adressat ist hier oft nicht die Spedition, sondern der Fahrzeughersteller selbst. Diese Datenübertragung geschieht häufig im Verborgenen, und die Frage nach der Zustimmung wird zur zentralen rechtlichen Auseinandersetzung. Gerade im Bereich der Dienstwagen, die einen Großteil der Neuwagenflotte ausmachen, ist dies von enormer Bedeutung. Aktuelle Statistiken zeigen, dass 53,2% aller in Deutschland neuzugelassenen Elektro-Pkw im Jahr 2024 Firmenwagen waren.

Es gibt Datenübertragungen, denen Sie nicht widersprechen können. Das beste Beispiel ist das gesetzlich vorgeschriebene eCall-System. Bei einem schweren Unfall sendet das Auto automatisch einen Notruf mit Standortdaten an die einheitliche europäische Notrufnummer 112. Dies dient dem Schutz von Leben und Gesundheit und ist daher obligatorisch. Doch die Hersteller sammeln weit mehr Daten: Informationen über den Fahrzeugzustand, Wartungsbedarf, Batterieladung, aber auch Fahrstil und Infotainment-Nutzung.

Für jede Datenverarbeitung, die über die gesetzlichen Pflichten oder die grundlegende Vertragsabwicklung (z. B. für gebuchte Connected-Dienste) hinausgeht, ist Ihre ausdrückliche und informierte Einwilligung erforderlich. Diese wird oft bei der Fahrzeugübergabe oder in den Tiefen der Nutzungsbedingungen der Bordcomputer-Software eingeholt. Viele Fahrer klicken diese schnell weg, ohne zu wissen, wozu sie ihre Zustimmung geben. Hier haben Sie jederzeit das Recht, Ihre Einwilligung zu widerrufen. Die Hersteller müssen Ihnen eine einfache Möglichkeit bieten, die Datenübertragung zu unterbinden oder zumindest stark einzuschränken, ohne dass die grundlegende Funktionalität des Fahrzeugs beeinträchtigt wird.

Der virtuelle Zaun: Wie alarmiert Sie das System, wenn der Bagger nachts die Baustelle verlässt?

Eine der mächtigsten Funktionen der Telematik ist das sogenannte Geofencing. Dabei wird auf einer digitalen Karte ein virtueller Zaun um ein bestimmtes Gebiet gezogen, zum Beispiel ein Betriebsgelände, eine Baustelle oder ein Liefergebiet. Das System kann dann automatisch eine Aktion auslösen, wenn das Fahrzeug diesen Bereich betritt oder verlässt. Dies bietet legitime und nützliche Anwendungsmöglichkeiten, birgt aber auch ein hohes Missbrauchspotenzial für die Mitarbeiterüberwachung.

Ein klassischer und absolut legitimer Anwendungsfall ist der Diebstahlschutz. Verlässt ein teurer Bagger mitten in der Nacht unerlaubt die Baustelle, löst das System sofort einen Alarm in der Zentrale aus. Ein Sicherheitsdienst oder die Polizei kann umgehend informiert werden, wie es beispielsweise Lösungen von Bornemann Telematik ermöglichen. Ebenso ist es zulässig, Geofencing zur Dokumentation gesetzlicher Pflichten zu nutzen, etwa um lückenlos nachzuweisen, dass eine Kühlkette beim Transport von Lebensmitteln nicht unterbrochen wurde. Hier dient die Technik der Qualitätssicherung und nicht der Überwachung des Fahrers.

Die rote Linie wird jedoch überschritten, wenn Geofencing zur Verhaltenskontrolle missbraucht wird. Ein Alarm, der ausgelöst wird, weil ein Vertriebsmitarbeiter sein zugewiesenes Gebiet verlässt, ist bereits grenzwertig und bedarf einer strengen Regelung in einer Betriebsvereinbarung. Absolut unzulässig wäre es, einen virtuellen Zaun um die Privatadresse eines Mitarbeiters zu ziehen, um zu protokollieren, wann er nach Hause kommt oder das Haus verlässt. Die folgende Tabelle zeigt klar auf, wo die Grenzen zwischen zulässigen und unzulässigen Anwendungen verlaufen.

Zulässige vs. unzulässige Geofencing-Anwendungen
Anwendungsfall Rechtliche Bewertung Begründung
Alarm bei Verlassen Betriebsgelände nachts Zulässig Diebstahlschutz als berechtigtes Interesse
Benachrichtigung bei Erreichen Privatadresse Unzulässig Unzulässige Verhaltenskontrolle
Kontrolle von Vertriebsgebieten Bedingt zulässig Nur mit Betriebsvereinbarung
Dokumentation Kühlkette Zulässig Gesetzliche Pflicht/Qualitätssicherung
Automatische Servicedokumentation Zulässig Betriebliche Erforderlichkeit

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine permanente GPS-Überwachung zur reinen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ist in Deutschland verboten. Es bedarf immer eines legitimen Zwecks und der Zustimmung des Betriebsrats.
  • Die Trennung zwischen dienstlicher und privater Nutzung ist absolut. Bei Privatfahrten muss das Tracking vollständig deaktiviert sein; Ihr Privatleben ist tabu.
  • Telematikdaten sind als alleiniger Beweis für eine Kündigung oft unzulässig. Die Beweislast für ein Fehlverhalten liegt immer beim Arbeitgeber, nicht bei der Blackbox.

Wem gehören eigentlich die Bewegungsdaten, die Ihr „Connected Car“ rund um die Uhr sendet?

Dies ist die vielleicht fundamentalste Frage im Zeitalter des vernetzten Fahrens. Die einfache Antwort ist ernüchternd: Ein „Eigentum“ an Daten, wie man es von einem physischen Gegenstand kennt, gibt es im deutschen Recht nicht. Sie können Ihre Daten nicht wie ein Auto besitzen. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – Sie haben etwas viel Mächtigeres: die Datenhoheit. Dieses Konzept leitet sich direkt aus Ihrem im Grundgesetz verankerten Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab.

Dieses Grundrecht gibt Ihnen die Kontrolle darüber, wer welche Ihrer personenbezogenen Daten wann und zu welchem Zweck verarbeitet. Sie sind nicht das Objekt, sondern das Subjekt der Datenverarbeitung. Ein Fachblog für Datenschutzrecht bringt es auf den Punkt und stellt klar, dass dieses Recht Ihnen die Hoheit über Ihre Daten gibt, auch wenn das Konzept des Dateneigentums kaum existiert, wie Analysen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung zeigen. Das bedeutet, Ihr Arbeitgeber, der Fahrzeughersteller oder der Telematikanbieter sind nur „Verwalter“ Ihrer Daten auf Zeit – und nur, solange sie dafür eine Rechtsgrundlage oder Ihre Einwilligung haben.

Aus dieser Datenhoheit erwachsen konkrete, einklagbare Rechte. Eines der stärksten Werkzeuge ist das Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO). Sie können vom Verantwortlichen verlangen, eine Kopie aller über Sie gespeicherten personenbezogenen Daten in einem gängigen, maschinenlesbaren Format (z.B. als Excel-Tabelle) zu erhalten. Dies schafft Transparenz und ist der erste Schritt, um die Kontrolle zurückzugewinnen. Wenn Sie wissen wollen, was Ihr Auto oder Ihr Chef wirklich über Sie weiß, fordern Sie Ihre Daten an. Weigert sich das Unternehmen, können Sie sich an die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde wenden, die empfindliche Strafen verhängen kann.

Um dieses Recht auszuüben, gehen Sie systematisch vor:

  1. Identifizieren Sie den Verantwortlichen: Richten Sie Ihre Anfrage an Ihren Arbeitgeber, den Fahrzeughersteller oder den Telematikanbieter. Im Zweifel an alle.
  2. Stellen Sie einen schriftlichen Antrag: Verweisen Sie explizit auf Ihr Recht nach Art. 20 DSGVO.
  3. Spezifizieren Sie Ihre Anfrage: Fordern Sie alle Bewegungs- und Fahrverhaltensdaten für einen bestimmten Zeitraum an.
  4. Fordern Sie das Format ein: Bitten Sie um die Daten in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format (z.B. CSV, JSON).
  5. Setzen Sie eine Frist: Der Verantwortliche hat grundsätzlich einen Monat Zeit, um zu antworten.

Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Das Gesetz ist auf Ihrer Seite. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihre Rechte missachtet werden, dokumentieren Sie alles und wenden Sie sich an Ihren Betriebsrat oder einen spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht. Ihre Datenhoheit ist nicht verhandelbar.

Häufig gestellte Fragen zu Telematik im Dienstwagen

Werden bei Telematik-Tarifen alle Fahrten lückenlos überwacht?

Nein, diese Befürchtung ist in der Regel unbegründet. Bei seriösen Telematik-Anwendungen wird der Fahrstil nicht lückenlos überwacht, sondern es werden nur bestimmte, vorab definierte Kriterien gemessen, wie z.B. starkes Bremsen oder Beschleunigen. Eine permanente Totalüberwachung ist rechtlich unzulässig.

Welche Daten werden bei der Telematik-Nutzung verarbeitet?

Über Telematik-Lösungen werden während der Fahrt laufend Informationen über den Fahrstil und den Fahrzeugstandort verarbeitet. Diese Daten werden unter Berücksichtigung strenger datenschutzrechtlicher Anforderungen an externe Dienstleister oder den Arbeitgeber übermittelt und dort ausgewertet, jedoch nur für den vereinbarten Zweck.

Führt Telematik zu umweltschonenderem Fahren?

Ja, Telematik kann durch gezieltes und anonymisiertes Feedback zu einer umweltschonenderen und sichereren Fahrweise beitragen. Bei einer vorausschauenden Fahrweise wird der Kraftstoffverbrauch deutlich reduziert und Ressourcen werden geschont. Dies ist oft ein legitimes Argument des Arbeitgebers, rechtfertigt aber keine individuelle Leistungskontrolle.

Geschrieben von Michael Dr. Bauer, öffentlich bestellter und vereidigter Kfz-Sachverständiger für Unfallanalytik und Fahrzeugtechnik. Spezialisiert auf StVZO-Konformität, Tuning-Abnahmen und Versicherungsrecht.